Egal ob schroff und felsig oder sanft und sandig – an Küsten finden sich eigentlich immer interessante Motive und ich mag Meer in allen Facetten. Natürlich machen es zerfurchte Felsküsten, wie die der Bretagne – besonders bei stürmischem Wetter – relativ einfach, dramatische Stimmungen einzufangen. Ich persönlich finde aber die dagegen eher stillen Sandstrände der vorpommerschen Ostseeküste nicht weniger reizvoll. Während im einen Fall die wilde Landschaft und sichtbare Naturgewalt die Bildwirkung bestimmt, gilt es im anderen Fall auf Details zu achten und die Nuancen des Lichts und der sich dadurch ergebenden Farben gestalterisch zu nutzen
Die „Wilde Küste“
Eine Felsküste kann noch so steil sein, so richtig spannend finde ich sie vor allem dann, wenn hohe Wellen auf die Felsen donnern, der Wind bläst und die Wolken über den Himmel rasen. Daher bin ich auch nicht im Sommer, sondern Ende Februar zur südbretonischen Côte Sauvage auf der Halbinsel Quiberon gefahren – in der Hoffnung auf richtig schlechtes Wetter. Ich wurde nicht enttäuscht. Windstärken zwischen 8 und 9, ein ständiger Wechsel von Sonne, Wolken und Regenschauern – genau so wollte ich es haben. Die Küstenlandschaft war weitgehend menschenleer und das Meer tobte sich an den Felsen aus. Die Luft direkt über der Brandungszone war von salzigem Dunst erfüllt.
Erschwerte Bedingungen
Das ist nicht schön für die Ausrüstung. Wenn’s allzu schlimm wurde, packte ich daher die Kamera in einen Gefrierbeutel der zum Objektiv hin offen mit einem Gummi fixiert wurde. Zudem waren alle Objektive mit Schutzgläsern ausgestattet, die ich permanent mit einem großen Mikrofasertuch sauberwischte. Der Wind macht das Fotografieren mit längeren Belichtungszeiten, die ein Stativ erfordern, etwas schwierig. Ich presse dann das Stativ mit einer Hand kräftig auf den Boden, halte mit der anderen Hand die Kamera und löse dann mehrfach nacheinander aus. So gelingen auch bei starkem Wind und Belichtungszeiten im Bereich von 0,5 bis etwa 2 Sekunden mit hoher Wahrscheinlichkeit einige scharfe Bilder. Bei Sturm jedoch verzichte ich meist auf ein Stativ, suche mir stattdessen ein zumindest etwas windgeschütztes Plätzchen, zum Beispiel hinter einem Fels, stelle einen höheren ISO-Wert ein und versuche dann mit möglichst hoher Serienbildrate und Vertrauen in die Effektivität des Bildstabilisators mein Glück. Äußerst wichtig ist in solchen Fällen die Streulichtblende, die verhindert, dass all zu viel Regen- oder Spritzwasser auf die Frontlinse gerät. Der Einsatz von Weitwinkelobjektiven mit den entsprechend kurzen Streulichtblenden ist daher unter diesen Bedingungen oft schwierig bis unmöglich.
Bildserien
Aufgrund der hohen Wellen verändert sich die Szenerie laufend. Derselbe Ausschnitt der Küstenlandschaft sieht gänzlich anders aus, nachdem die Welle abgeflossen ist. Daher nehme ich eigentlich immer längere Serien auf und variiere dabei auch die Belichtungszeit. Das kann entweder über das Schließen oder Öffnen der Blende oder aber mithilfe eines variablen Neutralgraufilters geschehen. Auch wenn es darum geht, dramatische Landschaftsdetails, wie etwa an Felsen „explodierende“ Wellen einzufangen, sind Bildserien mit möglichst hoher Frequenz hilfreich, um die optimale Phase zu erwischen.
Sanfte Küste
In der Regel deutlich ruhiger geht es an der vorpommerschen Ostseeküste zu. Der über Kilometer gleichförmige Strand des Darß ist eigentlich wenig spektakulär. Hier konzentriere ich mich daher meist auf Details. Da der Wald bis direkt an den Strand reicht, sorgen umgestürzte Bäume oder Treibholz immer wieder für Abwechslung im sandigen Einerlei. Herrscht dann noch ein wenig Seegang, spülen Wellen über das Holz hinweg und vor allem in den Abendstunden sorgt die untergehende Sonne in kurzer Zeit für eine Vielzahl rasch wechselnder Farbnuancen.
Weitwinkel-Variationen
Meist verwende ich für diese Bilder ein Weitwinkelobjektiv – zum Beispiel ein 17-40 mm-Zoom an einer Kleinbild-DSLR (10-24 mm an APS-C-DSLR). Damit lassen sich Objekte, die nahe der Frontlinse liegen, besonders stark betonen. Ein relativ kleines Holzstück wächst so zuweilen scheinbar zum veritablen Baumstamm.
Ebenfalls reizvoll ist es, mit langen Belichtungszeiten zu experimentieren. So kann man das ruhende Stück Holz als Gegensatz zum dynamischen Wasser darstellen. Ein Neutralgraufilter erweitert die Möglichkeiten, die Belichtungszeiten zu verlängern. Verwendet man diesen, kann man darauf verzichten, die Blende ganz zu schließen. Das wäre aufgrund der dann erkennbaren Beugungsunschärfe der Bildqualität abträglich.
Je nach Länge der Belichtungszeit kann man dem Wasser Struktur belassen oder es praktisch gänzlich „glatt bügeln“. Haben Sie ein attraktives Motiv entdeckt, sollten Sie unbedingt alle denkbaren Optionen durchspielen, also die Belichtungszeiten variieren, den Standpunkt verändern von normaler Augenhöhe bis zur Froschperspektive, unterschiedliche Bildausschnitte ausprobieren und auch mal vom Quer- ins Hochformat wechseln. Sie werden
erstaunt sein, wie viele unterschiedliche Bilder sich so aus einem vermeintlich unscheinbaren Motiv gewinnen lassen.
"Wellchen"
Mit Riesenwellen, die gegen hoch aufragende Felsklippen donnern, kann die Ostseeküste des Darß nicht aufwarten. Die Dimensionen sind kleiner, weniger spektakulär und dennoch bieten sich reizvolle Motive. Da der Wald hier direkt bis ans Meer reicht, lassen sich oft umgestürzte Bäume nutzen, um interessante Bilder zu komponieren.
Apps und Verlaufsfilter
Neben den im ersten Teil vorgestellten Hilfsmitteln Stativ, Neutralgrau-, Polfilter und Gummistiefel sind bei Aufnahmen am Meer Grauverlaufsfilter und verschiedene Smartphone-Apps äußerst nützlich.
The Photographer's Ephemeris | Es gibt verschiedene Apps, mit denen man Landschaftsfotos planen kann. Ich verwende dazu The Photographers Ephemeris. Die App kostet rund 7 € (iOS + Android), zudem steht eine kostenlos nutzbare Browser-Version zur Verfügung. Mond- und Sonnenauf- wie Untergänge, Geländeprofile, Sternkonstellationen und die „Lichtverschmutzung“ in der jeweiligen Region (für Nachtaufnahmen) kann man punktgenau erkunden. Tutorials auf der Webseite zeigen, was man mit dem vielseitigen Programm sonst noch anfangen kann.
Wetter-Apps | Wetter-Apps gib es reichlich, nicht alle aber sind so vielseitig und zuverlässig wie der Windfinder. Gerade für Touren an den Küsten hält das Programm eigentlich alle relevanten Infos parat. Neben einer präzisen Wettervorhersage erhält man Infos zur Windgeschwindigkeit und -richtung, zum Seegang und den Gezeiten. Die Dichte an verfügbaren Wetterstationen ist recht hoch, so dass man fast überall auf der Welt eine passende Prognose erhalten kann. Die einfache Version ist kostenlos, die werbefreie Pro-Version mit besonders genauer kurzfristiger Vorhersage kostet rund 2 € (iOS) bzw. 2,40 € (Android). Unter www.windfinder.com steht auch eine kostenlose Browser-Version zur Verfügung.
Ebbe & Flut im Blick | Überall, wo nennenswerte Gezeitenunterschiede herrschen, sollte man sich allein schon aus Sicherheitsgründen als Fotograf über Ebbe und Flut informieren. Dazu sind diverse Apps verfügbar. Eine kostenlose und einfach zu bedienende Anwendung ist „Gezeiten“ (iOS/Android). Ebenfalls kostenlos ist der Tidesplanner (iOS). AyeTides (iOS) kostet rund 8 €, hat dafür aber eine sehr hohe Mess-Stationen-Dichte und liefert neben den Gezeiten zahlreiche weitere meteorologische Daten.
Grauverlaufsfilter | Grauverlaufsfilter ermöglichen es, den Kontrast zwischen dem in der Regel hellen Himmel und dem dunklen unteren Bildbereich auszugleichen und so eine ausgewogene Belichtung zu erzielen. Unbedingt zu empfehlen sind rechteckige Filterscheiben. Runde Einschraubfilter sind untauglich, da bei diesen Übergang von Dunkel nach Hell zwangsläufig immer in der Mitte liegt. Die Scheiben hingegen können frei bewegt werden. Verschiedene Hersteller haben solche Filter im Programm (z. B. Lee, Haida, Rollei, Formatt Hitec, Cokin, B+W, Lensinghouse.)
Die Locations
Bretagne | Der Arche de Port Blanc ist ein imposantes Felstor an der bretonischen Côte Sauvage, einem schroffen Küstenabschnitt auf der Halbinsel von Quiberon. Die Bucht ist aufgrund der oft eindrucksvollen Wellen bei Surfern beliebt und bietet neben dem Felstor vor allem in der Gezeitenzone reichlich skurril geformte Felsformationen.
Koordinaten (Parkplatz): 47.525125,-3.154377
Anschrift: Route Côtière | 56510 St.-Pierre-Quiberon | Frankreich
Darß | Der Weststrand des Darß ist nicht direkt mit dem Auto anzufahren. Idealerweise bewegt man sich mit dem Fahrrad auf den gut ausgebauten Wegen, die den Darßwald relativ engmaschig durchziehen. Der bis direkt an den Strand reichende Wald liefert besonders im Abendlicht interessante Motive. Wer Ruhe sucht, findet die in Bereichen, die möglichst weit von den Parkplätzen in Prerow oder Ahrenshoop entfernt liegen. Ich fahre daher gerne vom großen Parkplatz in Prerow den Mittelweg zum Weststrand (rund 6 Kilometer).
Koordinaten (Parkplatz): 54.452391, 12.552606
Koordinaten (Strand): 54.455932, 12.487994