Gegen den Trend?


Das Sigma 500mm F4 DG OS HSM | Sports in der Praxis

So mancher sieht seit dem Erscheinen der handlichen 150-600 mm-Telezooms schon das Ende der lichtstarken Tele-Festbrennweiten nahen und da erscheint es durchaus mutig, wenn Sigma nun mit dem 4/500 mm ein solches Objektiv vorstellt. In der Praxis zeigt sich aber, dass solche Objektive nach wie vor in einigen Bereichen ihre Vorzüge haben. Hans-Peter Schaub hat das Sigma 500er ausprobiert.

Zur letzten photokina präsentierte Sigma einigermaßen überraschend mit dem 500 mm F4 DG OS USM Sports eine lichtstarke Supertele-Festbrennweite. Unter Tierfotografen galt so ein Tele lange Zeit als eine Art „Standardobjektiv“ – merklich billiger als ein 4/600 mm, etwas leichter und dennoch ausreichend lang, um Vögel und andere Wildtiere ziemlich groß ins Bild zu setzen. Gleichwohl engen sowohl das Gewicht, als auch der Preis eines solchen Objektivs den Anwenderkreis ein. Zudem greifen immer mehr Fotografen stattdessen zu einem der deutlich leichteren und billigeren 150-600 mm-Telezooms, die Sigma und Tamron seit einigen Jahren anbieten. Die mittlerweile auch bei ISO-Einstellungen jenseits von 1.600 hohe Bildqualität, die aktuelle Sensoren erlauben, lassen die höhere Lichtstärke der Festbrennweite weniger relevant erscheinen, als noch vor vier bis fünf Jahren. So gibt es in der Tat weniger Argumente, die für die schweren, teuren „Telekanonen“ sprechen. Gleichwohl aber sprechen noch einige gute Gründe für so eine lichtstarke Festbrennweite. Welche das sind, soll später erläutert werden. Zunächst möchte ich das Objektiv mit seinen technischen und optischen Eigenschaften vorstellen.

In der Hand

Wenig überraschend ist das Sigma 4/500 mm ein ziemliches Trumm. Mit etwa 3,3 Kilogramm ist es bei ungefähr gleichen Abmessungen sogar noch über 100 Gramm schwerer als die Pendants von Canon und Nikon. Entsprechend macht das Supertele einen sehr soliden Eindruck und ist – wie auch die anderen Objektive der anspruchsvollen Arts- und Sports-Baureihen von Sigma – exzellent verarbeitet. Der Tubus besteht aus einer Magnesium-Legierung. Das Gehäuse ist umfassend gegen Staub und Spritzwasser abgedichtet. Front- und Hinterlinse sind mit einer wasser- und ölabweisenden Beschichtung versehen, was die Reinigung erheblich erleichtert. Das geringfügige Mehrgewicht des Sigma-Teles gegenüber den entsprechenden Optiken der Mitbewerber wird zumindest teilweise durch die aus Karbonfasern gefertigte und damit leichte und dennoch sehr robuste Streulichtblende kompensiert. Sehr gelungen ist die solide Stativschelle, die in 90 Grad-Schritten einrastet. Die Rastung lässt sich über einen Schalter auf deren Rückseite einfach entkoppeln. Interessant ist auch eine als Zubehör erhältliche, besonders lange Stativschellenbasis, die mit einem Arca-Swiss-kompatiblen Schwalbenschwanzprofil ausgestattet ist. Wer das Objektiv zum Beispiel mit Pol- oder ND-Filtern verwenden möchte, kann diese in die 46 mm-Filterschublade einsetzen. Ein entsprechender Polfilter (RCP-11) ist als Zubehör erhältlich. Wer unter besonders widrigen Bedingungen fotografieren will oder muss, kann mit dem Sigma Protektor LPT-11, einem optisch neutralen, besonders robusten Schutzglas-Filter, die große Frontlinse schützen.

Bedienung

Zahlreiche Knöpfe und Schalter erlauben es, das Objektiv an unterschiedliche Erfordernisse anzupassen. Neben den Schaltern für das Ein- und Ausschalten des AF, die Fokusbereichs-Begrenzung, den Bildstabilisator-Modus, das Ein-/Ausschalten einer akustischen Fokusbestätigung sowie den Fokusstop-Tasten finden sich weitere Einstelloptionen. Das Objektiv ist selbstverständlich kompatibel mit dem Sigma-USB-Dock und so lassen sich, wie bei anderen Sigma-Optiken, zwei unterschiedliche Individualeinstellungen speichern. Diese umfassen dann zum Beispiel eine bestimmte Ansprechempfindlichkeit des manuellen Fokus bei der AF-Einstellung MO (Manual Override), in der auch bei kontinuierlichem AF manuell eingegriffen werden kann, oder aber bestimmte Fokuskorrekturen oder Einstellungen des Fokussierbereichs. Im Test habe ich auf all das verzichtet und das Objektiv mit den Standard-Werkseinstellungen benutzt. 
Selbstverständlich kann man das Sigma-Tele auch manuell fokussieren. Der Einstellring ist breit, griffig und läuft weich mit einem angenehmen Widerstand. Hilfreich und gut erreichbar sind auch die Fokusstop-Tasten im vorderen Bereich des Objektivs. Sie erlauben es, die Fokussierung schnell auf einen bestimmten Bereich zu fixieren und vermeiden so etwa bei einer Neuausrichtung zur Änderung der Bildkomposition, dass sich der AF ein neues, unerwünschtes Ziel sucht.

AF und Bildstabilsator

Der Ultraschall-AF ist sehr schnell und ziemlich leise. Selbst bei sich flott bewegenden Motiven wie beispielsweise auffliegenden Krickenten konnte ich bei Bildserien sehr oft 100 Prozent Treffer erzielen. Auch unter schlechten Lichtbedingungen und bei geringem Kontrast gab es keinerlei Probleme. Natürlich spielt dabei die verwendete Kamera meist die bedeutendere Rolle, aber es zeigte sich – auch im Vergleich zu einem parallel eingesetzten 150-600 mm-Zoom – vor allem bei schwierigen Lichtverhältnissen – ein durchaus spürbarer Geschwindigkeitsvorteil der Festbrennweite.
Das 3,3 Kilogramm schwere Tele ist nicht besonders gut geeignet, um über längere Zeit ohne Stativ aus der Hand eingesetzt zu werden. Dank des leistungsfähigen Bildstabilisators aber geht das – zumindest für kurze Zeit – ganz gut. Mit einer Ausbeute von 50 bis 100 Prozent funktioniert das im Zeitenbereich zwischen 1/125 und 1/250 sec, was ein bis zwei Blendenstufen entspricht. Aber auch mit Belichtungszeiten zwischen 1/60 und 1/30 sec gelangen mir unverwackelte Bilder (ungefähr 30 Prozent). Die Angaben sind allerdings nur Anhaltswerte, denn die Verwacklungsgrenze ist individuell extrem verschieden.

Bildqualität

Die Abbildungsleistung des Sigma-Superteles ist insgesamt richtig gut. Im Test habe ich das Objektiv meist mit einer Canon EOS 5D Mark IV verwendet (30 MP) und die Bilder waren durchweg sehr scharf, sehr brillant und detailreich. Das gilt für Blendeneinstellungen zwischen f/4 und f/11. Ab f/16 ist in Verbindung mit der verwendeten 5D Mk IV ein geringfügiger Abfall der Gesamtschärfe durch Beugungsunschärfe erkennbar, aber selbst bei f/22 sind die Bilder nach behutsamer Schärfung noch problemlos verwendbar. Erst bei f/32 sind relevante Detailverluste zu verzeichnen. Selbstverständlich aber ist bei solch einem Objektiv die Leistung bei offener Blende von höchster Bedeutung, denn wer die nicht nutzt, wäre sicher mit einem der aktuellen Telezooms besser bedient. Verzeichnung und chromatische Aberration sind kaum erkennbar und somit praktisch irrelevant. Die Vignettierung ist bei f/4 – vor allem bei hellen, homogenen Hintergründen – erkennbar. Die Abschattung zum Rand erfolgt allerdings sehr weich und gleichmäßig. Dieser Fehler lässt sich zudem besonders leicht in der Nachbearbeitung beseitigen, zuweilen ist er aber für die Bildwirkung auch durchaus förderlich. Schließt man die Blende auf f/5,6, verschwindet die Vignettierung nahezu vollständig. Sehr schön weich und harmonisch ist das Bokeh, die Wiedergabe der unscharfen Bildpartien. Auch das ist bei solch einem Objektiv natürlich von hoher Bedeutung, denn die offene Blende erlaubt es besonders gut, mit selektiver Schärfe zu gestalten, also das Motiv in einem unscharf abgebildeten Umfeld freizustellen.
Leider standen mir zum Test nicht die neuen Sigma-Telekonverter zur Verfügung  (Tele Converter TC-1401 und TC-2001). Stattdessen habe ich ein älteres Kenko-Modell, den 1,4x Teleplus  MC4 DGX, verwendet. Das allerdings ist bedauerlicherweise – zumindest bei Canon-Kameras – nur mit den älteren Modellen möglich. Ich setzte dazu die EOS 5D Mark II (Kleinbildsensor) sowie die EOS 50D (APS-C-Sensor) ein. Selbst mit diesem Konverter waren überzeugende Bildergebnisse zu erzielen. Bei Verwendung an der 5D Mk II zeigte sich bei offener Blende erwartungsgemäß eine deutliche Vignettierung, die sich allerdings durch Schließen der Blende um eine Stufe (f/8) deutlich reduzieren ließ. Am APS-C-Modell hingegen spielte Vignettierung keine Rolle. Aufgrund der großen Anfangsöffnung f/4 (bzw. f/5,6 mit Konverter) ließ sich selbst bei den beiden betagten Kameras der AF ohne Einschränkungen bei allenfalls leicht reduzierter Geschwindigkeit nutzen. In Verbindung mit dem APS-C-Sensor ergibt sich beim verwendeten 1,4fach-Konverter eine kleinbildäquivalente Brennweite von 1.120 mm – bei einer Anfangsöffnung von f/5,6. Viele der professionellen und semiprofessionellen DSLRs verfügen mittlerweile über AF-Systeme, die selbst bei f/8 noch tadellos funktionieren und insofern steht in Verbindung mit dem 4/500 mm-Tele  auch der Verwendung eines Zweifach-Konverters nichts entgegen.

Fazit

Sigma hat mit dem 500 mm F4 DG OS HSM Sports ein exzellentes Supertele vorgestellt, das sowohl hinsichtlich der optischen Leistung als auch der mechanischen Qualität keinen Vergleich zu scheuen braucht. Dabei ist es mit einem Preis von rund 6.500 € zwar beileibe kein Schnäppchen, dennoch aber immerhin 3.500 bis 4.500 € billiger als entsprechende Linsen von Nikon oder Canon. 
Natürlich kann man sich grundsätzlich fragen, ob die Anschaffung eines solchen Objektivs sinnvoll ist. Die Antwort wird je nach individuellen Prioritäten unterschiedlich ausfallen. Die bereits erwähnten Telezooms sind deutlich billiger, leichter und flexibler, haben allerdings in puncto AF-Geschwindigkeit (zumindest geringfügig) das Nachsehen. Zudem verfügen sie im Telebereich nur über eine Anfangsöffnung von f/6,3 sind also etwa 1,3 Blendenstufen „dunkler“. Das lässt sich, wenn es nur um eine möglichst kurze Belichtungszeit geht, durch eine entsprechend höhere ISO-Einstellung meist ohne schwerwiegende Qualitätseinbußen kompensieren. Nicht ausgleichen lässt sich natürlich die fürs Freistellen wichtige, geringere Schärfentiefe bei f/4 und – für mich eigentlich das wichtigste Argument – die Option, die Brennweite mithilfe von mittlerweile sehr leistungsfähigen Konvertern erheblich zu verlängern – bei gleichzeitiger Nutzbarkeit des AF. Mit Zweifach-Konverter ergibt sich dann ein 8/1.000 mm-Tele, das nur 2/3 Blendenstufen lichtschwächer als ein 4,5-6,3/150-600 mm-Zoom ist, dafür aber 400 mm mehr Brennweite liefert. Wenn es also um ganz lange Brennweiten geht, um den schnellstmöglichen AF und das kompromisslose Gestalten mit möglichst geringer Schärfentiefe, spricht nach wie vor einiges für ein schweres, teures Supertele.

Hans-Peter Schaub
www.hanspeterschaub.de

Bedienelemente
Das Sigma-Tele verfügt über eine eindrucksvolle Sammlung von Knöpfen und Schaltern, von denen man glück­licherweise in der Praxis selten alle benötigt. Wichtig ist natürlich der  AF-Schalter (links oben), der neben AF und MF  mit MO – dem Manual-Override – eine weitere Option bietet. Bei dieser Einstellung kann man auch bei Verwendung des kontinuierlichen AF permanent manuell in die Fokussierung eingreifen. Die Sensibilität lässt sich bei Bedarf über das Sigma-USB-Dock  anpassen. Das gilt auch für Einstellungen der Fokusbereichs-Begrenzung. Zwei Modi bietet der Bildstabilisator. „1“ ist die universelle Einstellung. „2“ erlaubt Schwenks und funktioniert im Hoch- und Querformat.  Ein Beschleunigungssensor sorgt für eine optimal angepasste Verwacklungskompensation in einer Richtung.

Sigma 500mm F4
DG OS HSM | Sports
Aufbau: 16 Elemente/11 Gruppen
Blendenbereich: 4 - 32
Anzahl Blendenlamellen: 9
Bildwinkel (diag./KB):
Naheinstellgrenze: ca. 350 cm
Min. Abstand (ab Frontlinse): ca. 277 cm
Max. Abbildungsmaßstab: ca. 1:6,5
Filtergewinde: 46 mm (Schublade)
Fokussierung: Ultraschall-AF/MF
Weitere Merkmale: kompatibel mit
Sigma-USB-Dock, Innenfokussierung,
Stativschelle (nicht abnehmbar, rastet in 90°-Schritten ein, Rastung abschaltbar), Streulichtblende im Lieferumfang, gegen Staub und Spritzwasser abgedichtet
Anschlüsse: Canon EF, Nikon F, Sigma
Abmessungen (mm):
ca. 144,8 (D) x 380,3 (L)
Gewicht: rund 3.310 Gramm
Straßenpreis: ca. 6.500 €

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