Alles fließt


NaturFoto-Schule, Teil 1

von: Hans-Peter Schaub
Im Rahmen unserer Serie „NaturFoto-Schule“ werden wir in loser Folge verschiedene Aspekte der Naturfotografie – der Makro-, Tier- und Landschaftsfotografie – aufgreifen und Tipps zur Aufnahmetechnik, Motivwahl, Gestaltung und Ausrüstung geben. In dieser ersten Folge geht es um ein beliebtes Sujet der Landschaftsfotografie: das fließende Wasser. Am Beispiel eines kleinen Bachtals im Schwarzwald erläutert Hans-Peter Schaub, wie er sich dem Thema nähert.

Wasser ist ein sehr dynamisches Motiv. Es fließt, tröpfelt, plätschert oder rauscht. Ein besonders beliebtes „Wassermotiv“ sind Bäche und Wasserfälle. Hier lässt sich ein immens breites Spektrum an Motiven finden – vom eindrucksvollen Wasserfall, bis zum feinen, kleinen Lichterspiel auf der Oberfläche eines Kolks. Für mich persönlich zählen Bäche schon seit ich zum ersten Mal eine Kamera in die Hand nahm, zu den absoluten Lieblingsmotiven. Im Schwarzwald, wo ich aufgewachsen bin, herrscht daran auch wahrlich kein Mangel. In jedem kleinen Tal plätschert ein Bächlein und so hatte ich immer reichlich Gelegenheit, mich mit dem Thema Wasser fotografisch auseinanderzusetzen. 

Am Lauterbach

Mein persönlicher „Hotspot“ sind die Lauterbachwasserfälle nahe Schramberg. In der engen Schlucht stürzt der Bach über ein halbes Dutzend Kaskaden zu Tal. Die moosüberwucherten, rundgeschliffenen Felsen, im Sommer üppig wuchernde Farne und die teils riesigen Tannen, die den Bach begleiten, erzeugen eine Urwaldatmos-phäre, die mich schon als Kind begeistert hat. Wann immer ich heute zu Besuch im Schwarzwald bin, steht mindestens ein Ausflug zu den Lauterbachwasserfällen auf dem Programm. Erstaunlicherweise ergeben sich auch nach Jahrzehnten immer wieder neue Bilder. Das liegt zum einen daran, dass sich in einem so dynamischen Naturraum wie einer Schlucht permanent Änderungen ergeben: Bäume stürzen um, stauen Wasser auf, Teile eines Hangs rutschen ab, die Wasserstände schwanken extrem. Zum anderen aber entwickelt man sich auch selbst weiter, sieht Motive, die man früher nicht erkannte, entwickelt Bildideen und wartet dann geduldig auf das dazu passende Wetter oder die passende Jahreszeit. Für Naturfotografen ist es sinnvoll und nützlich solche Fixpunkte zu haben, Orte, die man regelmäßig aufsucht, an denen man sich stets aufs Neue „abarbeiten“ kann, die einen zwingen, im vermeintlich Altbekannten immer wieder neue Aspekte zu entdecken. Das hilft auch, in anderen Situationen schnell und intuitiv die richtigen Entscheidungen hinsichtlich der geeigneten Technik, aber auch der angemessenen Gestaltungsmittel zu treffen.

Motiv Bach

Bei der Darstellung fließenden Wassers kommt der Belichtungszeit eine entscheidende Rolle zu. Mit langen Zeiten aufgenommen, scheint das Wasser weich zu fließen, wählt man hingegen sehr kurze Belichtungszeiten, lässt es sich scheinbar „einfrieren“. 
Für mich unverzichtbar bei der Aufnahme von Bächen ist ein solides Stativ. Dieses erlaubt mir, Belichtungszeiten so zu wählen, wie ich sie für die gewünschte Bildwirkung benötige. Qualitätsmindernde Kompromisse, aus Furcht, die Aufnahme zu verwackeln, wie eine besonders hohe ISO-Einstellung oder eine nicht ausreichend geschlossene Blende, muss ich so nicht machen. Die Belichtungszeit selbst lässt sich über die Blende, die ISO-Einstellung oder durch die Verwendung eines Pol- und/oder eines Neutralgraufilters beeinflussen. Die beiden Filter zählen für mich dadurch zur unverzichtbaren Grundausstattung auf einer fotografischen Wasserfalltour.

Viele Stellen der Lauterbachwasserfälle sind äußerst schwer zugänglich und erfordern einiges an Kletterei an steilen Hängen. Daher versuche ich die Ausrüstung immer möglichst kompakt zu halten. Drei Zooms, 17-40 mm, 24-70 mm und 70-300 mm passen neben einer „Vollformat“-Kamera, einem Kabelauslöser, den genannten Filtern und einer Taschenlampe in einen kleinen Fotorucksack. Das Stativ dient mir gleichzeitig als „Gehhilfe“ an den Hängen und beim immer wieder erforderlichen Queren des Bachs. Noch deutlich leichter wird das Fotogepäck, wenn man eine APS-C-Kamera mitnimmt. Da genügen mir zwei Zooms, ein 10-24 mm sowie ein 16-300 mm (oder 18-200 mm), um für alle Situationen gerüstet zu sein. 

Zeit nehmen

Vor Ort sollten Sie sich Zeit nehmen, die Situation auf sich wirken lassen und soviel es eben geht mit Brennweiten, Standpunkten und Belichtungszeiten spielen. Nur so erlangt man langfristig die Sicherheit und Routine, um aus guten Ideen auch gute Bilder entstehen zu lassen.

Zubehör

Neutralgraufilter, Polfilter, ein solides Stativ und ein paar robuste Gummistiefel sollten Sie neben Kamera und Objektiv mitnehmen, wenn Sie Bilder von fließendem Wasser machen möchten.

Neutralgraufilter ermöglichen es, auch an hellen Tagen lange Verschlusszeiten zu erzielen. Insbesondere bei Aufnahmen von fließendem Wasser ist das oft erwünscht. Es gibt diese Filter in unterschiedlichen Dichten. Möchten Sie zunächst nur einen anschaffen, empfehle ich einen in der Stärke ND 1,8. Der verlängert die Belichtungszeit um 6 Zeitstufen. So wird beispielsweise aus 1/30 sec immerhin 1 sec.

Mit einem Polfilter lassen sich Spiegelungen auf Wasseroberflächen, aber auch Reflexe auf nassem Fels oder auf der Vegetation dämpfen oder sogar ganz eliminieren. Nicht immer ist die maximale Wirkung optimal. Machen Sie im Zweifelsfall mehrere Aufnahmen mit unterschiedlichen Filtereinstellungen, denn auf dem Display und im Sucher lässt sich der Wirkung nicht immer exakt abschätzen.

Wer Wasser fotografiert, wird oft feststellen, dass der beste Standpunkt für gute Aufnahmen im Wasser liegt. Robuste Gummistiefel mit griffigen Sohlen oder bei tieferen Gewässern sogar eine Wathose sind daher ein unverzichtbares Zubehör für Wasserbilder. 

Ein robustes Stativ ist im wörtlichen Sinn die Basis für Bilder des fließenden Wassers. Auch ein noch so leistungsfähiger Bildstabilisator ersetzt hier nicht das Dreibein. Mit diesem sind keine Kompromisse bei der Belichtungszeit, der Blende oder der ISO-Einstellung erforderlich. Da oft tiefe Standpunkte besonders interessante Bilder ergeben, achten Sie beim Kauf auch auf eine möglichst niedrige minimale Arbeitshöhe. Ich setze in der Regel Modelle ohne Mittelsäule ein.

Die Location | Die Lauterbachfälle liegen im Mittleren Schwarzwald, direkt an der L108, die Schramberg mit Lauterbach verbindet. Der Zugang erfolgt über den an der Straße gelegenen Parkplatz. Von dort führt ein kleiner, steiler Weg parallel zur Straße in die enge Schlucht. Die Fälle überwinden mit zwei größeren und mehreren kleineren Kaskaden rund 15 Höhenmeter und erstrecken sich über etwa 250 Meter in meist schwierigem, unwegsamem Gelände. Aufgrund der bachaufwärts gelegenen Siedlung findet sich leider immer wieder Müll im Bach, den man gegebenenfalls beseitigen muss. 
Koordinaten (Parkplatz): 48°13'22.1"N 8°22'17.3"E 

Hans-Peter Schaub

… wurde 1961 in Schramberg im Schwarzwald geboren und lebt seit 17 Jahren im westfälischen Hamm. Die Bilder des Biologen und Naturfotografen wurden vielfach bei internationalen Wettbewerben ausgezeichnet. Er ist Autor mehrerer Lehrbücher über Naturfotografie und Chefredakteur des Magazins NaturFoto. 
www.hanspeterschaub.de