Es gibt durchaus Naturfotografen, die vor allem Raritäten auf der Wunschliste haben. Wenn man schon heimische Blumen fotografiert, dann doch bitte wenigstens Orchideen, Küchenschellen, Schachbrett- oder Leberblümchen. Das führt kurioserweise dazu, dass beispielsweise im Rahmen von Wettbewerben Bilder der genannten und vergleichbar begehrter Arten umgekehrt proportional zu ihrer Häufigkeit in der Natur zu sehen sind.
Subjektiv fotografieren
Überall anzutreffenden Gewächse, wie Hahnenfuß, Sternmiere oder Löwenzahn werden hingegen gerne ignoriert. Dabei haben diese Pflanzen, von denen viele eifrigen Hobbygärtnern als »Unkraut« gelten, einen ganz entscheidenden Vorteil: Sie sind häufig und fast überall zu finden. Wer diese Blumen fotografieren möchte, muss keine einschlägigen Internetforen durchforsten oder Verbreitungskarten studieren. »Unkraut« wuchert überall reichlich, und wenn man nicht allzu wählerisch bei den Motiven ist, trifft man vom zeitigen Frühjahr bis in den Herbst hierzulande fast überall irgendwelche blühenden Pflanzen an.
Lässt man sich dann einmal auf diese gar so gewöhnlichen Gewächse ein, studiert sie gründlich, schaut sie sich aus der Nähe an, wird man gewahr, dass Schönheit nicht an Seltenheit gebunden ist. Solche Pflanzen so ins Bild zu setzen, dass man beim Betrachter Staunen erzeugt, ist eine Herausforderung, der ich mich gerne stelle. Mir geht es dabei nie darum, die Pflanze akribisch und präzise zu dokumentieren. Viel spannender ist es aus meiner Sicht, subjektiv, zu fotografieren, das Motiv aus dem eigenen Empfinden heraus zu interpretieren. Nähert man sich Motiven mit dieser Absicht, wird es letztendlich zweitrangig, was man fotografiert, viel wichtiger ist, wie man das tut.
Motive, die man nicht mühevoll suchen muss, erlauben es, sich oft und intensiv mit ihnen auseinanderzusetzen. Konzentriert man sich mal etwas intensiver auf eine oder einige wenige Arten, wie etwa Frühblüher im Laubwald oder typische »Gartenunkräuter« wie Gänseblümchen, Kriechender Hahnenfuß und Löwenzahn, kann man nach und nach Ideen entwickeln. Bilder, die heute entstehen, kann ich zuhause gründlich analysieren und morgen schon kann ich die Erkenntnisse in der Praxis anwenden. Geht man so vor, wird man nicht nur immer bessere Bilder der jeweiligen Pflanzen machen, sondern man lernt natürlich ganz grundsätzlich viel über den gezielten Einsatz der einem zur Verfügung stehenden Technik, sammelt Erfahrung im Umgang mit Blende, Licht, Brennweite und Aufnahmeposition, die einem auch zugute kommen, wenn man in weniger komfortabler Situation fotografiert. Wenn man vielleicht nur kurz Zeit hat, um ein bestimmtes Motiv abzulichten, und keine zweite Chance bekommt.
Objektive
Selbstverständlich kann man Blüten mit einem Makroobjektiv schön groß in Szene setzen. Überlegen Sie aber auch immer, ob sich vielleicht durch eine andere Brennweite zusätzliche lohnende Optionen ergeben können. Weitwinkelobjektive erlauben es, einen eventuell ja auch interessanten Lebensraum in die Komposition mit einzubeziehen. Eine lange Telebrennweite von 300 oder mehr Millimetern hingegen macht es einfach, ein Motiv aus einem zunächst chaotisch anmutenden Umfeld herauszulösen.
Blüten eignen sich hervorragend, um mit selektiver Schärfe zu gestalten. Besonders gut geht das mit lichtstarken Objektiven, die man mit einem Zwischenring kombiniert. Eine relativ preiswerte Variante ist ein 1,8/50 mm oder ein 1,8/85 mm mit einem 20- oder 36 mm-Zwischenring. Sehr spannend ist auch der Einsatz von Objektiven in Retrostellung, um dann winzige Blütendetails in großem Abbildungsmaßstab festzuhalten.
Position
Von hoher Bedeutung für die Bildwirkung ist selbstverständlich auch die gewählte Aufnahmeposition. Blüten finden sich meist in Kniehöhe oder darunter. Eine Möglichkeit ist zwar immer, sie von oben, mit dem Boden als Hintergrund aufzunehmen. Richtig gut sieht das aber selten aus. Besser ist es, sich auf gleiche Höhe zu begeben und bei Pflanzen, die wenigstens 20 Zentimeter hoch sind, probiere ich meist auch, sie von unten gegen den Himmel aufzunehmen. Das geht manchmal ganz gut mit Klappdisplay oder Winkelsucher, es kommt aber auch vor, dass ich mich dann einfach mal auf den Rücken unter das Gewächs lege und in Ruhe auslote, was aus dieser Position möglich ist. Gerade in der Makrofotografie machen Positionsänderungen von wenigen Zentimetern oft einen erstaunliche Unterschied. Geben Sie sich daher nie mit den ersten Ergebnissen zufrieden. Manchmal ist es sinnvoll, das Foto-Shooting kurz zu unterbrechen, sich mal hinzusetzen und nachzudenken. Pflanzenfotografie in Hektik lohnt die Mühe nicht. Vermeiden Sie daher Zeitdruck in jeder Form.
Immer wieder neu
Heimische »Allerweltsblumen« zu fotografieren wird für mich nie langweilig. Auch wenn ich mittlerweile hunderte Bilder von Glockenblume, Sternmiere oder Löwenzahn gemacht habe, fällt mir jedes Jahr wieder was neues ein. Oft versuche ich, durch das Sichten älterer Bilder zu lernen und neue Ideen zu entwickeln.