Grübelei mit Folgen
Im Rahmen eines Fotoauftrags in Botswana vor rund acht Jahren kam Graeme Green, ein englischer Fotograf und Journalist, über den Begriff »schießen« ins grübeln, der von vielen ja neben seiner ursprünglichen Bedeutung auch für das Aufnehmen von Fotos gebraucht wird. Die Grübelei hatte weitreichende Folgen. Wie wäre es, überlegte er, wenn man anstelle der mit dem Töten von Tieren verbundenen, alten »Big 5« eine neue Big 5 der Tierfotografie etablieren würde, eine »Big 5 des Lebens«? Bis aus den ersten Ideen ein internationales Projekt wurde, dauerte es freilich noch einige Zeit. Seit etwa einem Jahr aber wurden die »New Big 5« zu einer Vollzeitbeschäftigung für den Fotojournalisten. Er kontaktierte renommierte Fotografen und Naturschutzorganisationen auf der ganzen Welt, führte Interviews, schrieb Artikel zum Thema und entwickelte als Basis des Projekts die äußerst informative Webseite www.newbig5.com. Auf dieser fordert er alle Besucher auf, ihre persönlichen »Big 5« zu wählen. Zur Abstimmung stehen rund 40 teils bekannte, teils weniger bekannte Tierarten aus unterschiedlichen Regionen. Bis Ende des Jahres soll die Abstimmung abgeschlossen und die »neuen Big 5« der Tierfotografie ermittelt sein.
Hauptanliegen des Projekts ist freilich nicht, fünf bestimmte Arten über die Millionen anderer zu stellen, sondern vor allem die immense Bedrohung der sich zahlreiche Tier- und auch Pflanzenarten auf dem Planeten ausgesetzt sehen, ins Bewusstsein zu rufen und Diskussionen anzuregen.
Breite internationale Unterstützung
Mittlerweile wird die Initiative von mehr als 100 weltweit führenden Fotografen und Naturschützern unterstützt, darunter Dr. Jane Goodall, Ami Vitale, Moby, Steve McCurry, Nick Brandt, Steve Winter, Ingo Arndt, Tim Laman, Art Wolfe, Brent Stirton, Marsel van Oosten, Joanna Lumley, Greg du Toit, Daisy Gilardini, Thomas D. Mangelsen, Shaaz Jung, Joel Sartore, Sandesh Kadur, Jonathan und Angela Scott, Pavan Sukhdev, Ben Fogle, Dr. Paula Kahumbu, Iain Douglas-Hamilton, Virginia McKenna und Organisationen wie Save The Elephants, WWF, Dian Fossey Gorilla Fund, IFAW, WildAid, African Wildlife Foundation, Wildlife SOS, Orang-Utan Foundation, IUCN, Conservation International, Polar Bears International, HAkA, Defenders Of Wildlife, Greenpeace und viele mehr.
Nachdenken über das Artensterben
»Ich wollte diese Idee nutzen, um die Menschen dazu zu bringen, über Wildtiere nachzudenken, über sie zu sprechen und auf die Gefahren hinzuweisen, denen viele Tiere auf der ganzen Welt ausgesetzt sind, von Geparden, Löwen, Giraffen und Elefanten bis hin zu Schuppentieren und wenig bekannten Arten von Fröschen, Pinguinen, Tauben, Spinnen… Rund eine Million Tier- und Pflanzenarten sind vom Aussterben bedroht. Ich hoffe, dass das Projekt dazu beitragen kann, einen Unterschied zu machen«, sagt Graeme Green über die Überlegungen hinter seinem Projekt. Als er mit der intensiven Arbeit an diesem Projekt begann, war freilich nicht abzusehen, welchen Wandel die Welt in kurzer Zeit erfahren würde. Die Corona-Pandemie, die ihren Ursprung vermutlich in wildlebenden Fledermäusen hat, rückt den Umgang von Menschen mit Wildtieren ins Bewusstsein. Gleichzeitig sorgen die mit der Pandemie einhergehenden Einschränkungen auch für gravierende Probleme in Schutzgebieten weltweit.
Corona und die Folgen
Graeme Green über sein Projekt und dessen Bedeutung während der Pandemie: »Es scheint, dass sich die Menschen im Moment mehr als je zuvor für Fragen zu unserem Umgang mit Wildtieren interessieren. Man geht davon aus, dass das Corona-Virus selbst von Fledermäusen und Schuppentieren in Chinas Wildtiermärkten stammt, so dass sich die Menschen stärker bewusst werden, welchen Schaden wir den Wildtieren und damit letztendlich auch uns selbst zufügen. Wissenschaftler warnen seit mehr als zehn Jahren vor den Gefahren zoonotischer, von Tieren auf Menschen übertragener Krankheiten. Jetzt warnen sie davor, dass die nächste Pandemie noch schlimmer werden könnte, wenn wir unser Verhalten nicht ändern. Das betrifft nicht nur die Märkte für Wildtiere, sondern auch die Zerstörung von Lebensraum, die die Menschen in engeren Kontakt mit Tieren und Krankheiten bringt. Gerade jetzt also scheint es umso wichtiger, das Thema Artensterben und den drohenden Verlust der biologischen Vielfalt auf unterschiedlichen Ebenen zu thematisieren. COVID-19 hat auch zur Schließung von Nationalparks und Wildreservaten in Afrika, Asien und anderswo geführt. Das bedeutet eine massive Belastung für die Naturschutzarbeit vor Ort. Die Armut steigt und in der Folge auch die Wilderei. Professionelle Wilderer nutzen die Ruhe und den reduzierten Schutz in den Parks aus. Diese Krise wird daher langanhaltende Auswirkungen auf Menschen und Wildtiere haben.
Kürzlich erreichte uns die Nachricht von der Ermordung von 13 Rangern und vier Zivilisten im Virunga-Nationalpark, einem Berggorilla-Hotspot in der Demokratischen Republik Kongo. Das erinnert uns daran, dass Menschen ihr Leben riskieren, um gefährdete Arten zu retten.
Millionen von Menschen verfolgten weltweit die Netflix-Dokuserie »Großkatzen und ihre Raubtiere«, die auf drastische Weise veranschaulicht, welche Machenschaften hinter dem Wildtierhandel stehen und welche Folgen er auch für die betroffenen Tiere haben kann. Es gibt reichlich Stoff zum Nachdenken. Die Menschen wollen, dass sich unser Verhältnis zu den Wildtieren und zur Natur verändert. Ich hoffe, dass das New-Big-5-Projekt Teil dieses Wandels sein kann.«
Stimmen Sie ab!
Nutzen Sie nun selbst die Gelegenheit, das Projekt zu unterstützen. Wählen Sie auf der Website des Projekts Ihre persönlichen Big 5. Die bis Jahresende laufende Abstimmung soll nur der Anfang sein. NaturFoto wird die Initiative und ihre Entwicklung weiter begleiten. Sie können das zudem auf www.newbig5.com auch jederzeit selbst tun.
Hans-Peter Schaub