Naturfotografie ist für viele nach wie vor gleichbedeutend mit Spiegelreflexkameras, großen, schweren Objektiven und damit einer oft ziemlich anstrengenden Schlepperei. Die zumindest potenziell hohe Bildqualität mag für die Mühen Lohn genug sein. Allerdings geht es ja nicht immer darum, scheue und flinke Tiere bei wenig Licht aus großer Distanz abzulichten. Oft ist man einfach nur so draußen in der Natur, vielleicht mit der Familie auf Tour oder man möchte Natur einfach möglichst unbeschwert genießen.
Unbeschwert fotografieren?
Ohne Kamera allerdings möchte ich persönlich dennoch nicht aus dem Haus – man weiß ja nie, was einem unterwegs begegnen könnte. Interessante Insekten oder Spinnen am Wegesrand, die tolle Lichtstimmung in der Landschaft oder die knorrige Baumgestalt möchte ich dann schon gerne im Bild festhalten. Aber dazu die „richtige“ Ausrüstung mitschleppen? Von unbeschwert kann da keine Rede mehr sein. Kompaktkameras mit ihren kleinen Sensoren allerdings sind für qualitätsbewusste Fotografen auch keine ernsthafte Alternative. Die findet sich jedoch im mittlerweile äußerst breiten Angebot spiegelloser Systemkameras.
Bezüglich der Ausstattung übertreffen viele dieser Kameras längst die meisten klassischen Spiegelreflex-Modelle und dank einem Sensor im APS-C- oder FourThirds-Format sind auch hinsichtlich der Bildqualität keine bedeutenden Abstriche zu erwarten. Für einen entsprechenden Praxistest wählte ich eine relativ kleine und mit gut 500 Gramm (Kamera + 14-42 mm-Standardzoom) ziemlich leichte Panasonic Lumix G70 aus. Die verfügt über einen 16 Megapixel-Four-Thirds-Sensor, der in etwa ein Viertel der Fläche eines Kleinbildsensors und entsprechend einen Beschnittfaktor von 2 bezogen auf das Kleinbildformat aufweist. So entspricht also das Standardzoom 14-42 mm einem 28-84 mm-Kleinbildobjektiv. Die Kamera passte mit angesetztem Objektiv gerade noch in meine Jackentasche. Wenn ich allerdings ein etwas vielseitiger einsetzbares 14-140 mm-Zoom oder zusätzlich ein manuelles Makroobjektiv und den einen oder anderen Filter oder Zwischenring mitnehmen wollte, packte ich alles zusammen in eine kleine, wasserdichte Fototasche von König (liteBag1) in der dann aber auch noch locker ein paar Müsliriegel und sonstiger Kleinkram wie Ersatzakku und Mikrofasertuch Platz fanden.
Im Vergleich zu einer Vollformat-DSLR mit zwei Objektiven und den üblichen Kleinigkeiten ist die Gewichtsersparnis beträchtlich. Auch wenn man zusätzlich noch ein Stativ mitnehmen möchte, wird’s nicht allzu dramatisch, denn die leichte Kamera steht auch auf einem zierlicheren Stativ stabil. Ich habe in solchen Fällen das solide Compact Traveller No. 1 von Rollei benutzt, das einschließlich Kopf nur rund 1.200 Gramm wiegt und die G70 ganz locker zu tragen vermag. Gleichzeitig passt es mit einem Packmaß von 31,5 cm problemlos in einen Tagesrucksack.
So ausgestattet, sah ich mich dann für die fotografischen Anforderungen, die sich auf entspannten Wanderungen oder bei Familienausflügen bieten könnten, bestens gerüstet. Die Spiegelreflex-Ausrüstung blieb daher während meines Tests meist zuhause liegen und ich genoss diese neue Leichtigkeit. Ob ich die Kamera mitnehme oder nicht, war nie die Frage, denn angesichts der paar hundert Gramm sah sich der innere Schweinehund kaum aufgefordert, aufzumucken.
In der Hand
Die Lumix G70 verfügt über ein Gehäuse aus Kunststoff, macht aber dennoch einen recht soliden Eindruck. Dank ausgeprägtem, gummiertem Griff liegt sie gut in der Hand. Wer den Umgang mit Mittel- und Oberklasse-Spiegelreflexkameras gewohnt ist, wird auch an der zierlichen Lumix kaum etwas vermissen. Zwei Einstellräder erlauben zum Beispiel im manuellen Modus das Einstellen von Zeit und Blende. Viele, zwar kleine, dennoch selbst mit großen Händen gut bedienbare Tasten, erlauben den direkten Zugriff auf die wichtigsten Funktionen. So bleibt einem der Weg übers Menü weitgehend erspart. Das ist nämlich enorm umfangreich und bietet eine Vielfalt an Optionen, die man nur nach und nach erfassen wird.
Tatsächlich ist die Kamera derart vollgepackt mit Funktionen, dass man sich als mittelmäßig erfahrener Fotograf zunächst etwas überwältigt fühlt. Der Zugang wird einfacher, wenn man sich zumindest anfangs auf das beschränkt, was man wirklich benötigt, um zu fotografieren: Zeitautomatik, manuelle Einstellung, ISO- und Qualitätseinstellung, Bildrate, AF-S und AF-C sowie AF-Feldanwahl, Belichtungskorrektur und Histogramm-Anzeige. Sinnvoll ist es in dem Zusammenhang auch, gleich zu Beginn das Q-Menü seinen Bedürfnissen entsprechend anzupassen und häufig genutzte Funktionen dort direkt zugänglich zu machen. In stillen Stunden kann man dann nach und nach erkunden, was die Kamera außerdem noch kann. Das ist in der Tat eine Menge – insbesondere im Zusammenhang mit der Videofunktion.
Sucher & Display
Der elektronische Sucher bietet mit gut 2,3 Mio. Bildpunkten eine recht hohe Auflösung. Er reagiert schnell und ohne merkliche Verzögerung. Dank der bis zu 6-fach vergrößernden Lupenfunktion sowie des bei Bedarf zuschaltbaren Fokuspeaking funktioniert auch manuelles Fokussieren problemlos.
Sehr praktisch ist das dreh- und schwenkbare Touch-Display. Besonders bei eher statischen Motiven lässt sich so der Fokus sehr präzise platzieren. Auch die Möglichkeit, über das Q-Menü per Fingerzeig oft benutzte Einstellungen vorzunehmen, ist angenehm. Nutzt man die Touch-Pad-Funktion, lässt sich auf dem Display der AF-Punkt wählen, während man durch den elektronischen Sucher blickt, was mit etwas Übung ein sehr schnelles Reagieren auf sich bewegende Motive erlaubt.
Autofokus
Der Autofokus basiert auf Kontrasterkennung und Panasonic beweist auch bei der G70, dass diese Technik nicht nur äußerst genau, sondern auch sehr schnell sein kann. Bei bis zu 6 Bildern pro Sekunde hält der kontinuierliche AF mit. Das genügt oft auch für flotte Actionszenen. Der AF ist in vielfältiger Weise konfigurierbar. So lässt sich die AF-Feldgröße bei Bedarf auf einen winzigen Punkt beschränken, um besonders kleine Strukturen, wie im Extremfall einen Stern am Nachthimmel scharfzustellen. Gruppen von AF-Feldern können auch per Wischen übers Display ausgewählt werden.
Bildrate
Bis zu 8 Bilder ohne bzw. 6 Bilder mit AF schafft die Kamera in voller Auflösung. Zusätzlich steht, der 4K-Video-Option sei dank, auch noch eine über das Wahlrad auf der Kameraoberseite einstellbare 4K-Fotofunktion zur Verfügung. Dabei filmt die Kamera mit 30 Bildern pro Sekunde und man kann dann anschließend Einzelbilder aus dieser Sequenz in 8 Megapixeln Auflösung extrahieren. Klingt interessant, ist es auch – allerdings nicht ohne Abstriche. Zum einen ist die Auflösung natürlich gegenüber konventionellen Serien stark reduziert. Bei sich schnell bewegenden Motiven muss man zudem darauf achten, dass die Belichtungszeit der Motivbewegung angemessen ist. Während man bei Filmen eher längere Zeiten bevorzugt, um den Stakkato-Effekt zu vermeiden, soll Action im Einzelbild oft eher „eingefroren“ werden. Zudem handelt es sich bei den Einzelbildern um JPGs mit all den damit zusammenhängenden Einschränkungen. Ansonsten aber bietet die Funktion schon viel Potenzial, um bei besonders schnellen oder schwer vorhersehbaren Bewegungsabläufen die entscheidenden Momente einzufangen.
Ferngesteuert
Enorm leistungsfähig ist die App (Android und iOS), mittels der sich die Kamera via Smartphone/Tablet fernsteuern lässt. Die Verbindung erfolgt einfach über den Scan eines QR-Codes auf dem Display. Dann kann man alle relevanten Einstellungen bis hin zum manuellen Fokussieren (allerdings natürlich nur mit AF-Objektiven) übers Smartphone-Display erledigen. Wer scheue Tiere mittels ferngesteuerter Kamera fotografieren möchte, profitiert bei der G70 auch von der Möglichkeit, den lautlosen elektronischen Verschluss zu verwenden.
Bildqualität
Der gegenüber dem Vorgängermodell optimierte 16 Megapixel-Sensor liefert insgesamt sehr überzeugende Resultate, insbesondere wenn man Bilder im Raw-Format aufnimmt. Dann hat man es selbst in der Hand, wie stark man das Rauschen unterdrückt, um möglichst viele Details erkennbar zu machen. Die JPGs aus der Kamera hingegen wirken ab ISO 1.600 für meinen Geschmack ein wenig zu glatt. Ganz feine Strukturen gehen verloren. Bis ISO 3.200 ist insgesamt aber der Unterschied zu Kameras mit dem größeren APS-C-Sensor nicht wirklich relevant. In den für die Praxis ja meist bedeutsameren unteren ISO-Bereichen bleibt das Rauschen dezent.
Sehr gut gefallen hat mir auch der Dynamikumfang des Sensors und die nur geringe Zunahme des Rauschens, wenn Schattenbereiche aufgehellt werden müssen. So kann man bei kontrastreichen Motiven getrost knapp belichten, um die Zeichnung in den Lichtern zu halten und dann in der Nachbearbeitung die dunklen Partien aufhellen. Bis zu drei Blendenstufen sind dabei ohne Probleme möglich.
Fazit
Meist habe ich die große Spiegelreflex nicht vermisst. Mit leichtem Gepäck unterwegs zu sein, nimmt der Naturfotografie zwar in gewisser Weise die sportliche Komponente, aber dafür fällt eben die Entscheidung, die Kamera überhaupt mitzunehmen, auch leichter. Eine Kamera wie die Lumix G70 kann natürlich noch viel mehr als einfach „nur“ Fotografieren und mit der zum Testzeitpunkt noch nicht verfügbaren Post Focus-Funktion, der Möglichkeit, die Schärfe nach der Aufnahme zu ändern, bietet sie, wie andere aktuelle Lumix-Modelle, eine zusätzliche interessante Option, mit der wir uns in einer der nächsten Ausgaben noch ausführlich befassen werden.
Ich habe die Kamera in Rahmen dieses Tests aber nahezu ausschließlich zum „normalen“ Fotografieren benutzt – als leichte Alternative beziehungsweise Ergänzung zur DSLR – und dabei nur einen Bruchteil der auf den ersten Blick sicher überwältigenden Funktionsvielfalt eingesetzt. Gleichwohl war ich alles in allem sehr zufrieden. Die Kamera ist leicht und kompakt, liefert eine beachtliche Bildqualität und verführt sicher manche Fotografen dazu, nachdem sie sich mit den Grundfunktionen angefreundet haben, sich auch mit den umfassenden Video-Option auseinanderzusetzen.
Für mich ist solch eine spiegellose Kamera derzeit noch kein kompletter Ersatz für die gewohnte DSLR. Noch fehlen mir bestimmte, besonders lichtstarke Festbrennweiten. Bei schneller Action liefert der Phasen-AF der Oberklasse-DSLRs derzeit meines Erachtens noch höhere Trefferquoten. Der Abstand aber schrumpft und natürlich hat jeder Fotograf andere Vorstellungen, die sich mal mit dem einen, mal mit dem anderen System besser in Bilder umsetzen lassen.
Eine kleine Spiegellose als Ergänzung zur DSLR-Ausrüstung halte ich allerdings grundsätzlich für einen sinnvollen Ansatz. So kann man sich ohne Stress mit den Besonderheiten solcher Systeme auseinandersetzen und gleichzeitig auch von deren Vorteilen profitieren, wie etwa der umfassenden Fernsteuerung, der lautlosen Auslösung und den selbst in Mittelklasse-Modellen wie der Lumix G70 enorm vielseitigen Videofunktionen.
Hans-Peter Schaub
www.hanspeterschaub.de