Wald und Moor


Naturerlebnisse im Pfrunger-Burgweiler Ried

von: Wolfgang Veeser
Auch wenn Entwässerung und Torfabbau das einst riesige Moorgebiet östlich des ober­schwäbischen Städtchens Pfullendorf im Laufe vieler Jahrzehnte erheblich schrumpfen ließen, sind die verbliebenen Reste immer noch eindrucksvoll. Moorseen, intakte Hoch­moore und ein großes Bannwaldgebiet bieten ein vielfältiges Naturerlebnis und zu jeder Jahres-zeit reichlich Foto­motive. Wolfgang Veeser wohnt ganz in der Nähe und kann so das nach dem Federsee zweitgrößte Moor­gebiet Südwestdeutschlands zu jeder Tages- und Jahreszeit mit der Kamera durchstreifen.

Schon die Dichterin Annette von Droste-Hülshoff hat in ihrem Gedicht „Der Knabe im Moor“ (1842) das Moor als „schaurigen“ Ort, „in dem Phantome die Dünste drehn“, „es zischt, singt und knistert“ beschrieben. Bis heute haben Moore nichts von ihrer mystischen Atmosphäre verloren und üben eine besondere Anziehungskraft aus.

Heimspiel

Es sind die unvergleichlichen Augenblicke, die mich seit über einem Jahrzehnt immer wieder in das Pfrunger-Burgweiler Ried führen: etwa, wenn der Frühnebel über dem Moor liegt und die Sonnenstrahlen langsam durch den Nebel brechen. Es gibt für mich auch einen praktischen Grund, das Moor immer wieder zu besuchen: die Nähe zu meinem Wohnort. Nur wer das Gebiet zu jeder Jahres-, Tages- und Nachtzeit besuchen kann, hat die Möglichkeit, die vielen Facetten dieser einzigartigen Riedlandschaft mit der Kamera festzuhalten. Mein fotografischer Ansatz besteht nicht darin, die dort vorkommende Flora und Fauna umfassend zu dokumentieren, sondern darin, diesen besonderen Lebensraums zu porträtieren.


Umfassende Renaturierung

Das Pfrunger-Burgweiler Ried ist mit einer Länge von rund neun und einer Breite von drei Kilometern das zweitgrößte Moor in Südwestdeutschland. Es umfasst circa 2.600 Hektar und ist das Ergebnis natürlicher Entwicklung und nachhaltiger Veränderung durch den Menschen. Die vermoorte Talaue erstreckt sich von Ostrach bis Burgweiler im Nordwesten sowie von Wilhelmsdorf bis Fleischwangen im Südosten und liegt auf dem Grenzgebiet der Landkreise Sigmaringen und Ravensburg.
Das Ried, in einer Jungmoränenlandschaft gelegen, entstand durch eine Seitenzunge des Rheintalgletschers, der eine Endmoräne auf dem Gebiet ablegte. Von der ehemals 2.600 Hektar großen Moorwildnis wurden bis dato rund 2.000 Hektar durch Entwässerung in Grünland überführt. 360 Hektar sind mit Birkenbruchwald oder Forst bestockt. Bis in das Jahr 1996 wurde im Ried Torf abgebaut, wodurch die sogenannten Stichseen entstanden. Sie umfassen heute eine Fläche von ungefähr 100 Hektar. Im Jahr 2002 wurde das Pfrunger-Burgweiler Ried in das Naturschutzprojekt des Bundes „chance.natur“ aufgenommen. Die damit einhergehenden Fördermittel dienten dem Flächenerwerb und der großflächigen Renaturierung des Moorgebiets durch Wiedervernässung. Inzwischen ist im Pfrunger-Burgweiler Ried der mit etwa 500 Hektar größte Bannwald Baden-Württembergs ausgewiesen, der nun sukzessive zum „Urwald“ werden soll.

Gut erschlossen

Das Ried entwickelt sich zunehmend zu einem Anziehungspunkt für Besucher. Rund um das Gebiet gibt es eine gute Gastronomie, die zur Einkehr oder Übernachtung einlädt. Vor Besuchermassen braucht man sich hier dennoch nicht fürchten. Einen sehr guten Überblick über das weitläufige Moorgebiet gibt die Wanderkarte der Riedstiftung Pfrunger-Burgweiler Ried. Die Karte ist kostenfrei im Naturschutzzentrum in Wilhelmsdorf erhältlich.

Typische Tier- und Pflanzenwelt

Im Rahmen des Naturschutzprojektes „chance.natur“ sind in den letzten Jahren zahlreiche Gehwege entstanden, die auch für Naturfotografen gute Möglichkeiten bieten, das Ried zu erkunden. Denn im Moor gilt das Wegegebot: Hochmoore zum Beispiel dürfen nicht betreten werden, da sie sehr trittempfindlich sind und geschützte Pflanzen wie den Rundblättrigen Sonnentau beherbergen. Im Sommer kann der Sonnentau gut von Holzstegen aus fotografiert werden, am besten im Gebiet des „Eulenbruck“. Im Hochmoor heimisch ist auch die Kreuzotter. Um die scheue Giftschlange zu entdecken, bedarf es der Hilfe eines Biologen, der ihre Reviere ganz genau kennt, – oder sehr viel Glück. Weniger versteckt lebt der Eisvogel. Um gute Aufnahmen von diesem Vogel zu machen, empfehle ich ein Tarnzelt.
Eine besondere Rarität im Pfrunger-Burgweiler Ried ist die Europäische Sumpfschildkröte. Sie kann an den Seen nahe des Naturschutzzentrums beim Sonnenbaden beobachtet werden, leider eher zur Mittagszeit, bei hartem Licht. An ebendiesen Seen ist in der Abenddämmerung auch der Biber gut zu fotografieren. Im Ried hat er sich inzwischen flächendeckend ausgebreitet. An allen Seen, Teichen und Gräben hinterlässt er seine Verbiss-Spuren oder Burgen.
Auch Störche gehören zum Pfrunger-Burgweiler Ried. Sie nisten in erster Linie auf den Hausdächern in den umliegenden Gemeinden, nicht auf Bäumen im Ried. Lohnende Motive sind die Störche, wenn sie in den Riedwiesen nach Futter suchen oder sich im Herbst ganze Trupps zusammenfinden, um dann gemeinsam in Richtung ihres Winterquartiers nach Afrika aufzubrechen. Um Störche zu fotografieren, eignet sich am besten das fahrende Tarnzelt, der PKW.
In den Riedseen können zudem Graugänse beobachtet werden, etwa bei der Aufzucht ihrer Jungen. Seltene Vögel wie Kranich und Schwarzstorch sind nur während ihres Durchzugs im Ried zu sehen. An den Seen rund um das Naturschutzzentrum bieten sich darüber hinaus sehr gute Möglichkeiten zum Fotografieren von Blässhühnern. Ihre Nester liegen nur wenige Meter vom Wegesrand entfernt im Wasser, was auch Gelegenheiten für Aufnahmen der Kükenaufzucht bietet.
Moorfrösche mit ihrer prächtigen blauen Färbung sucht man in den Tümpeln und Seen im Ried jedoch vergebens. Stattdessen haben Besucher die Möglichkeit, Wasserfrösche zu entdecken. Auch der seltene Laubfrosch ist im Ried heimisch. Von dem sind mir aber leider noch keine Aufnahmen gelungen.
Um die Seen schwärmen insbesondere in den Sommermonaten auch unzählige Libellen. In den umliegenden, extensiv genutzten Wiesen haben die Pflanzen wieder die Möglichkeit zur Blüte, was die Population der Schmetterlinge begünstigt. Auf vielen Wiesen weiden heute verschiedene Rassen von Robustrindern, um die Flächen vor Verbuschung zu bewahren. Die beweideten Flächen sind umzäunt und somit nicht für Besucher zugänglich, doch man findet viele andere feuchte Wiesen, die problemlos betreten werden können.
Im Eulenbruck wachsen zudem einige Beerenarten wie die Heidelbeere, die Rauschbeere, die Preiselbeere oder die Moosbeere. Die Beeren blühen im Frühjahr und tragen im Herbst Früchte. Auch die kleinen Wollgrasbestände mit ihren weißen Wollschöpfen blühen im Frühjahr. Im Herbst zeigt sich die Heide dann in einem malerischen zartrosa Kleid.

Alte und neue Seen

Durch die Wiedervernässung entstehen immer neue Landschaftsformen im Pfrunger-Burgweiler Ried. Konnte man vor kurzer Zeit den „Fünfeckweiher“ noch zu Fuß umrunden, ist dies heute leider nicht mehr möglich. Um den Fünfeckweiher entstand ein neues Wasserareal, das fantastische Landschaftsbilder mit Rohrkolben oder im Wasser stehenden Bäumen ermöglicht.
Viele lohnende Motive für Landschaftsfotografen bieten sich auch um den Nillsee. Zwar wird dieser befischt, dennoch offeriert er wunderschöne Naturmotive. In der Nähe des Gewässers befinden sich zudem zahlreiche Stichseen, die teilweise verlandet sind und an deren Ufern unzählige Rohrkolben wachsen. Nicht weit von den Stichseen entfernt liegt eine Riedgaststätte mit Parkmöglichkeiten und einem Wanderweg in Richtung Vogelsee. Dort erwartet die Besucher eine kleine Aussichtsplattform, die einen Blick über die Ufervegetation hinweg auf den See erlaubt. Die hier vorkommenden Vögel wie Flussseeschwalbe und Kormoran sind aber meist recht scheu und eher schlecht zu fotografieren.
Vom Vogelsee führt der ausgeschilderte Wanderweg weiter in Richtung „Großer Trauben“, dem unpassierbaren Kerngebiet des Rieds. Vom Großen Trauben gelangt man auf einem Holzsteg an eine Stelle mit vielen Moorbirken, die zwischen typischen Seggengräsern des sauren Moorwassers stehen.

Lieblingsplätze

Direkt neben der Riedstraße zwischen Pfrungen und Riedhausen befindet sich ein Birkenwald, den ich immer wieder aufsuche. In dem kleinen Wald bieten sich zu jeder Jahreszeit und zu fast jeder Stunde lohnende Motive. Zur Blauen Stunde zum Beispiel. Während dieser „zwielichtigen“ Tageszeit heben sich die weißen Birken vom blauen Hintergrund besonders gut ab.
Direkt an der Ostrach gelegen befindet sich neben der Riedstraße kurz vor Riedhausen ein weiterer kleiner Parkplatz, von dem aus ein befestigter Weg die Besucher zu mehreren Stichseen, den sog. „Hundschen Teichen“ führt. Gleich am ersten Stichsee ist eine kleine Aussichtsplattform zu finden, die einen Blick auf das unwegsame Wasserareal erlaubt.
Auf den wegsamen Riedwiesen stehen viele Riedhütten, kleine Holzhütten, die ursprünglich zum Unterstellen von landwirtschaftlichem Gerät dienten. Die Schuppen verfallen zunehmend, bieten aber immer wieder tolle Fotomotive.
Für malerische Landschaftsfotografien sind generell die Morgenstunden zu empfehlen, wenn zarte Nebelschwaden dem Ried eine geheimnisvolle Atmosphäre verleihen. Dann ist es auch vorteilhaft, entlang der Straße zwischen Waldbeuren und Pfrungen nach Motiven Ausschau zu halten. Die Straße liegt etwas erhöht. Man hat einen guten Blick in das nordöstlich liegende Ried, so dass bei entsprechender Ausrichtung der Kamera der Sonnaufgang im Gegenlicht in das Ried und in den Nebel erfolgt. Mit etwas Glück sind dann nur einzelne Bäume oder Baumgruppen im Nebel zu sehen, färbt sich der Nebel in zartes Rosa oder später in ein Rotorange, zeichnen sich dazu noch die Sonnenstrahlen im Nebel ab.
Am Rande des Bannwalds entstand vor wenigen Monaten ein Aussichtsturm. Mit einer Höhe von 38 Metern ermöglicht er einen Blick über den Bannwald. Im Wald selbst ist oft genaues Hinsehen erforderlich, um pittoresken Motiven auf die Spur zu kommen: Pilze, wie sie im Herbst fotografiert werden können, ein Farnblatt, über einem Baumstamm liegend, oder ein Baumtrieb auf Totholz. Daneben ist auch der Specht am Totholz ein lohnendes und typisches Motiv im Bannwald.
Jeder Riedstreifzug bedarf lediglich etwas Zeit und Muße, um sich dem Moor fotografisch zu nähern, die Motive bietet das Ried von ganz alleine.

Wolfgang Veeser

Fotografie ist das seit vielen Jahren intensiv betriebene Hobby des Bankbetriebswirts. Seine Fotografien werden von Agenturen vertrieben und von Verlagen publiziert. Er erhielt internationale Auszeichnungen bei den  Naturfotowettbewerben „Glanzlichter“ und „Europäischer Naturfotograf des Jahres“  der GDT. Der leidenschaftliche Lichtbildkünstler ist Vollmitglied in der Gesellschaft deutscher Tierfotografen (GDT).
Schon seit über einem Jahrzehnt arbeitet er an dem Projekt Pfrunger-Burgweiler Ried. Im Herbst 2015 erschien sein gleichnamiger Bildband im Gmeiner-Verlag. www.veeser-naturfoto.de