Kurz nachdem Nikon sein Z-System präsentierte, hob auch Canon den Vorhang. Zum Vorschein kam das EOS R-System. Wie Nikon setzt auch Canon auf ein neues Bajonett und bietet gleichzeitig die Möglichkeit, Objektive mit EF-Bajonett ohne signifikante Einbußen mittels Adapter an der neuen Kamera zu verwenden. Allein der große Durchmesser (54 mm) des EF-Bajonetts hätte – anders als beim deutlich engeren Nikon-F-Bajonett sicher keinen Bajonettwechsel erfordert, wohl aber das Auflagemaß, das beim EF-Bajonett 44 mm, beim neuen R-Bajonett hingegen lediglich 20 mm beträgt. Das ermöglicht grundlegend andere Objektivkonstruktionen unter anderem mit großen Linsenelementen auf der Rückseite, die sowohl kompaktere Bauweisen als auch höhere Abbildungsleistungen versprechen. Zudem ermöglicht das neue Bajonett mit seinen 12 Kontakt-Pins (8 beim EF-Bajonett) eine wesentlich umfassendere Kommunikation zwischen Objektiv und Kamera. Davon werden aktuelle und künftige Geräte der R-Serie profitieren. Für zahlreichen Besitzer von EF- bzw. EF-S-Objektiven bietet Canon mehrere mit jeweils unterschiedlichen Funktionen ausgestattete Adapter an, die die Verwendung der Optiken an den R-Kameras laut Canon ohne spürbare Einschränkungen erlauben soll.
»Nur« eine Kamera zum Start
Anders als Nikon beschränkte sich Canon im ersten Schritt auf die Präsentation nur einer Kamera. Die EOS R verfügt über einen 30,3 Megapixel CMOS-Sensor, der zwar die gleiche Auflösung wie der der EOS 5D Mark IV aufweist, laut Canon aber gleichwohl eine Neuentwicklung sein soll. Die Empfindlichkeit reicht von ISO 100 bis 40.000 und kann auf ISO 50 bis 102.400 erweitert werden. Der Staub- und Spritzwasserschutz liegt in etwa auf dem Niveau der EOS 6D Mark II. Wie im LiveView-Modus der aktuellen DSLRs erfolgt die Fokussierung auf Basis des Dual-Pixel-CMOS AF direkt auf dem Sensor, was in der EOS R zu der laut Canon aktuell höchsten AF-Geschwindigkeit aller vergleichbaren Systemkameras führen soll. In nur 0,05 sec soll die Kamera die Schärfe einstellen können. Was in den DSLRs schon sehr gut funktioniert, wurde in der neuen Spiegellosen also noch weiter optimiert. Bemerkenswert ist die Lichtempfindlichkeit des neuen AF. Mit R-Objektiven soll selbst bei -6 LW, was nahezu völliger Dunkelheit entspricht, noch automatisches Fokussieren möglich sein. Die sage und schreibe 5.655 anwählbaren Fokusfelder decken nahezu 100 Prozent des Bildes ab (88 Prozent horizontal, 100 Prozent vertikal). Anders als die Profi-DSLRs muss man zur Wahl des AF-Feldes jedoch auf den beliebten Joystick verzichten. Stattdessen wird das 3,2-Zoll Touchdisplay (2,1 Mio. Bildpunkte) zum Touchpad, auf dem man, auch wenn man den elektronischen Sucher (3,69 Mio. Bildpunkte, 0,76-fache Vergrößerung) nutzt, mit dem Daumen den gewünschten Bereich anwählen kann. »Touch and Drag« nennt Canon das. Dazu lässt sich das Display in vielfältiger Weise konfigurieren. Konfigurierbar ist darüber hinaus nahezu jedes einzelne Bedienelement der Kamera, so dass es leicht ist, die EOS R persönlichen Vorlieben anzupassen.
Für Tier- und Actionfotografen eignet sich die EOS R trotz flottem AF allerdings nur bedingt. Die maximale Frequenz von 8 Bildern/sec erreicht die Kamera nur bei manueller Fokussierung oder Bei Einstellung auf Einzelbild-AF. Bei kontinuierlichem AF werden hingegen maximal 5 Bilder/sec erreicht – für viele Motive völlig ausreichend, für springende Rehe und anfliegende Vögel sicher ein wenig zu behäbig. Erfreulich allerdings ist das bei Bedarf
mögliche absolut geräuschlose Auslösen der Kamera.
4K-Video mit Beschnitt
Selbstverständlich ist die Kamera auch in der Lage Videos in 4K aufzuzeichnen. Möglich sind 30p und 24,98p, in Full HD-Auflösung ist bei 60 fps die Grenze erreicht, also keine Zeitlupen in Full HD. Dafür kann aber 4K/30p bzw. 24p auch mit einer Datenrate von 480 Mbps aufgenommen werden. Nicht so schön ist, dass man bei 4K-Videos, anders als bei Nikons Z-Modellen, mit einem ca. 1,7-fachen Beschnitt leben muss, was insbesondere im Weitwinkelbereich sehr problematisch sein kann. Behelfen könnte man sich, indem man in diesen Fällen auf ein für die APS-C-Sensoren gerechnetes EF-S-Weitwinkel für Videoaufnahmen einsetzt. Die lassen sich über den Adapter problemlos anschließen. Von einigen Fotografen wird sicher, wie auch bei den Nikon-Z-Modellen, die Ausstattung mit nur einem Speicherkartenfach (SD) bemängelt werden. Das ist zwar schade, angesichts der mittlerweile beträchtlichen Speicherkapazitäten aber für die meisten wohl zu verschmerzen. Die Stromversorgung übernehmen die auch in der 5D Mark IV oder der 7D Mark II nutzbaren LP-E6N-Akkus. Anders als die kompatiblen älteren Versionen LP-E6, lässt sich die neue Version auch über USB laden. Bis zu 370 Aufnahmen sollen mit einer Akkuladung möglich sein. Auch ein Batteriehandgriff (BG-E22) ist verfügbar, der die Zahl möglicher Aufnahmen ungefähr verdoppelt. Die Kamera selbst bringt betriebsbereit rund 660 Gramm auf die Waage. Sie soll ab Ende September für rund 2.500 € inklusive einem EF-EOS R-Bajonettadapter.