Ein erheblicher Anteil aktueller spiegelloser System- und Spiegelreflexkameras sowie zumindest ein Teil der Wechselobjektive weist mittlerweile eine Abdichtung gegen Staub und Spritzwasser auf. Es gibt also keinen Grund, die Kamera beim Herannahen eines Regenschauers sofort im Rucksack zu verstauen. Schließlich ist, was von nichtfotografierenden Mitmenschen als schlechtes Wetter empfunden wird, fotografisch ja oft genug besonders lohnend. Nun gibt es eben aber auch Bedingungen, unter denen Spritzwasserschutz nicht ausreicht, sei es beim Schnorchelausflug, in der Gischtzone von Wasserfällen, in der Meeresbrandung oder vergleichbar widrigen Umständen. Gar nicht zu fotografieren ist keine Option und die zwar ebenfalls robusten Actioncams liefern meist nur mäßige Fotoqualität und sind zudem mit festbrennweitigen Superweitwinkeloptiken ausgestattet. Outdoorkameras hingegen verfügen meist über ein vier- bis fünffaches Zoom und bieten dadurch und die auch von zahlreichen Einstelloptionen (Programm- und Zeitautomatik, Motivprogramme, Autofokus, Makromodus etc …) deutlich mehr fotografische Möglichkeiten. Zusätzlich sind sie meist noch mit GPS (die Tough TG-4 und andere können auch Strecken aufzeichnen), Tiefen-/Höhenmesser, Kompass und WLAN ausgestattet. Sie eignen sich daher in besonderer Weise als ständige Begleiter, insbesondere, wenn nicht abzuschätzen ist, wie widrig die Bedingungen sein werden.
Olympus Tough TG-4
Als einzige unter den Outdoor-Kompaktkameras erlaubt es die Tough TG-4, Bilddaten im Raw-Format aufzuzeichnen. Zudem gibt es zu dieser Kamera auch umfangreiches Zubehör. Zwei Gründe, weshalb ich mich für dieses Modell entschieden habe, um die Möglichkeiten dieses Kameratyps im Rahmen eines Langzeittests auszuloten. Mit der Kamera wollte ich schnorcheln gehen, bei Regenwetter und ganz nah an Wasserfällen fotografieren und allgemein ausprobieren, wo die fotografischen Grenzen und Möglichkeiten einer solchen Kompaktkamera abseits ihrer Robustheit liegen.
In der Hand
Die Kamera macht schon beim ersten In-die-Hand-nehmen einen stabilen Eindruck. Mit knapp 250 Gramm ist sie – dem wasserdichten Metallgehäuse geschuldet – vergleichsweise schwer, liegt damit aber gut in der Hand. Griffwülste an der Vorder- und Rückseite erlauben es, sie sicher zu halten. Die wenigen Bedienelemente sind für große Hände zwar etwas klein, aber gut erreichbar. Alternativ, etwa wenn man mit Handschuhen fotografiert, lässt sich das Menü auch über Touch Control (Menü: Tough-Einstellungen) – durch Klopfen auf das Gehäuse – steuern. Funktioniert gut, man sollte das allerdings bei Nichtgebrauch deaktivieren, da sich durch unbeabsichtigtes Klopfen schnell Funktionen unkontrolliert verstellen können. Das 3 Zoll-Display ist mit 460.000 Bildpunkten zwar kein Auflösungswunder, lässt sich aber auch aus spitzem Winkel passabel ablesen und liefert selbst bei heller Umgebung ein ordentliches Bild. Zudem kann man die Helligkeit in fünf Stufen anpassen.
Fotopraxis
Die Kamera bietet das übliche Angebot von Szene-Modi wie Sport, Panorama, HDR oder Sonnenuntergang. Zudem kann man natürlich auch auf die Olympus-typischen Art-Filter zurückgreifen. Daneben aber verfügt sie noch über Unterwassermodi für UW-Landschaften, UW-Action, UW-Makro sowie UW-HDR, die jeweils bestimmte Objektiveinstellungen mit einem der speziellen Lichtsituation unter Wasser angepassten Weißabgleich kombinieren. Interessant ist auch die Mikroskop-Einstellung am Moduswahlrad. Über diese bekommt man Zugang zu einem automatischen Focus-Stacking-Modus, bei dem das „gestackte“ Bild bereits in der Kamera berechnet wird (auf 8 MP reduzierte Auflösung), und dem Focus Bracketing, in dem die Kamera eine wählbare Anzahl von Aufnahmen mit unterschiedlichen Schärfeeinstellungen macht, die man dann später selbst mittels geeigneter Software kombinieren kann. Letzteres habe ich bei der Vorstellung der Olympus OM-D E-M5 ausführlich erläutert (NaturFoto 5-2016). Ebenfalls von den „großen“ Olympus-Modellen bekannt ist der Live-Composite-Modus, der beispielsweise nächtliche Langzeitbelichtungen erlaubt, ohne dass dabei die Lichter überstrahlen. Erreicht wird das über die Kombination vieler Einzelbilder.
Blende und Zeitautomatik
Für mich besonders wichtig: Die Tough TG-4 erlaubt es recht komfortabel, mit Zeitautomatik zu fotografieren. Dabei wählt man selbst die Blende vor und die Kamera sucht die dazu passende Zeit – ganz so, wie das viele von ihrer Spiegelreflexkamera gewohnt sind. Zudem kann man über die Belichtungskorrekturtaste die Belichtung anpassen. Das verfügbare Blendenspektrum bei Kompaktkameras ist allerdings gering, denn zum einen ist die Schärfentiefe aufgrund des kleinen Sensors schon bei offener Blende groß, zum anderen macht sich beim Schließen der Blende um mehr als eine Stufe gegenüber der maximalen Öffnung die Beugungsunschärfe bemerkbar. Bei der Tough TG-4 ist das allerdings gar nicht möglich. Die Blende kann tatsächlich höchstens um eine Stufe geschlossen werden. Zwar lässt sich dann noch eine um zwei weitere Stufen geschlossene Blende einstellen, die wird aber nur über einen eingeschwenkten ND-Filter simuliert. Man kann also die Blende bei Bedarf getrost „schließen“, etwa um lange Belichtungszeiten zu erzielen.
System kompakt
Ein wichtiges Argument für die Tough TG-4 ist das Zubehör. Über einen Adapter kann man die Kamera mit einem Filtergewinde ausstatten und dann lassen sich wasserdichte Vorsatzobjektive (Weitwinkel- und Televorsatz) von Olympus verwenden. Insbesondere unter Wasser ist der Weitwinkelvorsatz, der eine kleinbildäquivalente Brennweite von 19 mm liefert, willkommen. In das 40,5 mm-Filtergewinde passen aber natürlich auch Filter und Nahlinsen anderer Hersteller. So lassen sich mit einem Polfilter und einem Neutralgrau-(ND-)Filter die fotografischen Optionen in der Landschaftsfotografie erheblich erweitern. Wichtig wenn man z.B. bei Verwendung von ND-Filtern vom Stativ fotografiert: Unbedingt den Bildstabilisator (IS) ausschalten! Ansonsten entstehen fast durchweg unscharfe Bilder. Mit Nahlinsen kann man zudem die ohnehin bereits guten Makrofähigkeiten der Kamera noch erweitern. So lassen sich auch aus Abständen von mehreren Zentimetern kleine Motive formatfüllend abbilden, was beispielsweise bei Insekten die Erfolgsaussichten erhöht.
Bildqualität
Zum einen ist natürlich das Objektiv für die Bildqualität verantwortlich. Das vor allem im Weitwinkelbereich mit f/2,0 lichtstarke Vierfachzoom überzeugt in der Bildmitte mit ordentlicher Schärfe und Brillanz. Zum äußersten Rand hin ist vor allem bei kurzer Brennweite ein Schärfeabfall zu erkennen. Der lässt sich durch Schließen der Blende um eine Stufe merklich reduzieren. Die Verzeichnung ist in Weitwinkelstellung sichtbar tonnenförmig, in Telestellung hingegen kaum erkennbar. Die chromatische Aberration fällt gering aus.
Von mindestens ebenso großer Bedeutung für das Bildergebnis ist der Sensor. Der 1/2,3-Zoll-CMOS-Sensor dürfte sich derzeit in zahlreichen Kompaktkameras finden. Gut 16 Megapixel auf der winzigen Fläche von 6,2 x 4,6 mm ist natürlich viel. Hohe Pixeldichte begünstigt schon rein physikalisch Rauschen – insbesondere bei hohen ISO-Zahlen. Gleichwohl sind die Ergebnisse bis ISO 400 rauscharm und detailreich. Erst bei höheren Werten verschwinden die Details – wenn man sich auf das JPG-Format beschränkt. Die Tough TG-4 bietet keine Möglichkeit die Rauschunterdrückung zu steuern und diese langt ab ISO 400 ordentlich zu, macht die Bilder auf Kosten feiner Details glatt. Zuweilen entsteht so ein Aquarell-artiger Bildeindruck. Aber die Kamera kann ja glücklicherweise auch Raw. Zum einen erfasst sie so einen merklich höheren Tonwertumfang und zum andern lässt sich das Rauschen im Raw-Konverter gezielt steuern. So sind selbst bei ISO 1.600 noch brauchbare Ergebnisse möglich – vorausgesetzt, man belichtet (mit Histogramm-Unterstützung) richtig. Einziger Nachteil des Raw-Formats: man muss auf die Serienbildfunktion verzichten, kann aber durch wiederholtes Drücken des Auslösers dennoch ohne Verzögerung Bild nach Bild machen. Nicht ganz nachvollziehbar ist, dass man Raw immer nur in Kombination mit einem JPG-Bild aufzeichnen kann. Nur Raw allein geht nicht.
Fazit
Die TG-4 ist, wie vergleichbar ausgestattete Pendants anderer Hersteller, ein idealer Immer-dabei-Fotoapparat. Ohne Rücksicht auf Wetter oder Umweltbedingungen steht einem immer eine recht leistungsstarke Kamera zur Verfügung. Nein, natürlich werde ich jetzt nicht meine Spiegelreflexausrüstung verkaufen, aber als Ergänzung zur großen Kamera, als fotografisches Notizbuch, für gelegentliche Unterwasser-Touren, als GPS-Logger und Kompass ist sie ideal. Insbesondere das Raw-Format eröffnet hinsichtlich der möglichen Bildqualität mehr Möglichkeiten, als von Kompaktkameras dieser Art gemeinhin zu erwarten ist. Ergänzt um einen Pol- und ND-Filter sowie den Weitwinkelvorsatz ist man auch unter widrigsten äußeren Bedingungen aufnahmebereit. Zudem kann es mitunter auch sehr entspannend sein, mit derart minimalistischem „Fotogepäck“ auf Motivsuche zu gehen.
Hans-Peter Schaub, www.hanspeterschaub.de
Weiches Licht trotz Miniblitz
Die Tough TG-4 mit montiertem LED Light Guide LG-1. Nachteil: Es ist nicht möglich, gleichzeitig eine Nahlinse, einen Filter oder einen anderen Objektivvorsatz zu verwenden. Das frontale Licht beleuchtet unter Wasser auch Schwebteilchen, die bei weniger klarem Wasser dann als weiße Punkte störend in Erscheinung treten können. Vorteil: im unmittelbaren Nahbereich weiche Ausleuchtung – beim LG-1 jedoch nur in Telestellung einigermaßen gleichmäßig bis in die Randbereiche.
Die Tough TG-4 als »Systemkamera«
Zwei sehr solide verarbeitete Vorsatzobjektive stehen für die Tough TG-4 zur Verfügung. Beide sind uneingeschränkt unter Wasser verwendbar. Der Fisheye-Konverter FCON-T01 verzeichnet zwar sichtbar tonnenförmig, bildet dafür aber ohne nennenswerten Schärfeabfall zum Rand einen Bildwinkel ab, der etwa 19 mm beim Kleinbildformat entspricht. Auch der Telekonverter TCON-01 liefert passable Bildqualität. Er verlängert die Brennweite um den Faktor 1,7. Somit stehen also maximal kleinbildäquivalente 170 mm zur Verfügung. Befestigt werden die Vorsätze mittels dem Adapter CLA-T01. Der fragil anmutende Plastikring besitzt ein 40,5 mm-Filtergewinde und wird gegen den das Objektiv umgebenden Zierring ausgetauscht. Richtig vertrauenserweckend ist diese Art der Befestigung nicht. Zwar rastet der Ring in der Halterung ein, es gibt aber keinen Verriegelungshebel und ich sehe schon die Gefahr, dass sich so ein recht schweres Objektiv etwa bei turbulentem Seegang von der Kamera löst.
Objektivadapter und Akkus
Die Olympus Tough TG-4 ist in vieler Hinsicht kompatibel mit den Vorgängermodellen. So hat sich für das Topmodell der Olympus Outdoor-Kameras ein kleiner aber interessanter Markt von Zubehör anderer Hersteller entwickelt. Man kann etwa bei enjoyyourcamera einen dem Olympus CLA T01 entsprechenden Objektivadapter für rund 12 € bekommen und auch Akkus und Ladegeräte sind von verschiedenen Drittanbietern erhältlich.
Gute Vorsätze
Wer nicht unbedingt Unterwasser-taugliche Vorsatzobjektive benötigt, findet Weitwinkel- und Televorsätze in unterschiedlichen Qualitäts- und Preisklassen im Zubehörhandel. Raynox beispielsweise bietet eine Vielzahl hochwertiger Vorsätze vom Fisheye bis zum Telekonverter an. Ich hatte von einer älteren Digitalkamera noch zwei Vorsätze im Schrank. Deren 43 mm-Filtergewinde ließ sich durch einen entsprechenden Reduzierring problemlos an die 40,5 Millimeter der Tough TG-4 adaptieren.
Filter-Vielfalt
Besitzt man den Objektivadapter, steht der Verwendung diverser Filter nichts mehr im Wege. Für das 40,5 mm-Einschraubgewinde erhält man zum Beispiel bei Amazon oder Ebay größere und kleinere Filtersets, die beispielsweise Neutralgrau-, Polfilter und den vor allem unter Wasser hilfreichen FLD-Filter umfassen. Kostenpunkt: zwischen 15 und 25 €. Selbstverständlich haben auch die renommierten Hersteller wie B+W oder Hoya passende, optisch hochwertigere Filter im Programm (z.B. ND 1,8 F-Pro von B+W für ca. 50 € oder Hoya Circular-Pol slim für rund 25 €)