Scharfer Lichtriese


Das Sigma 50-100mm F1,8 DC HSM | Art in der Praxis

Nach dem 1,8/18-35 mm kommt mit dem 1,8/50-100 mm ein weiteres Sigma-Zoom mit bislang unerreicht hoher Anfangslichtstärke für Kameras mit Sensoren im APS-C-Format. So steht nun auch im mittleren Telebereich ein Zoom zur Verfügung, welches sowohl bei wenig Licht kurze Verschlusszeiten oder niedrige ISO-Einstellungen, als auch eine Gestaltung mit selektiver Schärfe erlaubt, wie sie mit äquivalenten f/2,8-Objektiven an Kameras mit Kleinbildsensor möglich ist. Hans-Peter Schaub hat das neue Telezoom ausgiebig getestet.

Alle relevanten Hersteller haben eine breite Palette an Objektiven im Angebot, die speziell für DSLRs mit Sensoren im APS-C-Format gerechnet sind. Richtige Highlights aber, die entweder durch besondere Brennweitenbereiche oder außergewöhnliche Lichtstärke auffallen, sind – anders als bei den fürs Kleinbildformat geeigneten Optiken – Mangelware. So gibt es jede Menge Zooms mit mäßiger Lichtstärke vom Superweitwinkel bis weit in den Telebereich, doch einzig Sigma scheint sich intensiv mit spezielleren Objektiven für APS-C-DSLRs auseinanderzusetzen. So hat der japanische Hersteller bereits seit rund drei Jahren ein hervorragendes 1,8/18-35 mm-Zoom im Programm (siehe NaturFoto 9/2013) und auch die lichtstarke Festbrennweite 1,4/30 mm ist speziell für den APS-C-Sensor gerechnet. Mit dem 50-100 mm F1,8 DC HSM | Art steht nun ein weiteres Zoom mit sehr hoher Lichtstärke zur Verfügung. Sieht man von der in der Praxis zu vernachlässigenden Lücke von 15 mm ab, die zwischen dem 18-35 mm- und dem 50-100 mm-Zoom klafft, kann man mit diesem Objektivpaar einen kleinbildäquivalenten Brennweitenbereich zwischen etwa 27 und 150 mm (Nikon) bzw. 29 und 160 mm (Canon) mit durchgehender Lichtstärke von f/1,8 abdecken.
Damit eröffnen sich zum einen interessante Optionen in der Available Light-Fotografie, zum anderen aber lässt sich dadurch auch der zwar geschrumpfte, jedoch immer noch vorhandene Unterschied zwischen APS-C- und Kleinbildsensoren bezüglich des Bildrauschens weitgehend kompensieren. Die Bildwirkung bezüglich der Schärfentiefe entspricht ungefähr der einer äquivalenten f/2,8-Kleinbildbrennweite. Die höhere Lichtstärke der Sigma-Zooms erlaubt aber gleichzeitig niedrigerere ISO-Werte, um die gleiche Verschlusszeit zu erzielen.
Mehr Gestaltungsmöglichkeiten mit selektiver Schärfe und mehr Spielraum bei wenig Licht sind die praktischen Vorteile, die das Zoom-Duo mitbringt. Ein buchstäblich schwerwiegender Nachteil solcher Lichtriesen ist das beträchtliche Gewicht, das es zu schleppen gilt.

In der Hand

Das 1,8/18-35 mm ist schon nicht wirklich zierlich, das neue 1,8/50-100 mm aber ist ein echtes Trumm. Mit stolzen 1.498 Gramm ist es in derselben Gewichtsklasse wie die aktuellen 2,8/70-200 mm-Zooms. In der Hand vermittelt das Objektiv dafür einen überaus wertigen Eindruck und entspricht damit den übrigen Objektiven der „Art“-Linie von Sigma. Spielfreier Zoom- und Fokussierring, starre Frontlinse, Innenfokussierung und konstante Länge beim Zoomen sind selbstverständlich. Der breite Fokussierring lässt sich zwischen Naheinstellgrenze und Unendlich um 150 Grad drehen, was feinfühliges manuelles Scharfstellen gestattet. Der Frontlinsendurchmesser beträgt – der hohen Lichtstärke geschuldet – stattliche 82 mm. Am Objektiv befindet sich lediglich ein Schalter, um den AF ein- oder auszuschalten. Über einen Bildstabilisator verfügt das Zoom nicht. Die hohe Lichtstärke kompensiert das zum Teil. Fotografiert man sich bewegende Motive, sind lange Verschlusszeiten zudem oft ohnehin nicht sinnvoll, da sich dann unerwünschte Bewegungsunschärfen ergeben. Insofern ist der fehlende Stabilisator zu verschmerzen. Vor allem für Naturfotografen dürfte die fehlende Abdichtung gegen Staub und Spritzwasser etwas schwerer wiegen. Viele aktuelle Kameras sind mittlerweile entsprechend ausgestattet und da wünscht man sich schon, dass die Objektive ebenso wetterfest sind. Freilich bedeutet das im Falle des Sigma-Zooms nicht, dass man bei etwas Regen das Fotografieren einstellen muss. Bei heftigeren Niederschlägen aber sollte man schon geeignete Maßnahmen, wie den Einsatz einer Regenschutzhülle, ergreifen. 
Sehr kompakt und solide wirkt die Stativschelle. Sie rastet in 90 Grad-Schritten ein und dreht sich sehr weich. Entfernen lässt sie sich allerdings nicht und Fotografen, die das Objektiv nur aus der Hand einsetzen, werden bedauern, dass sie da nicht bei Bedarf überflüssigen Ballast entfernen können.
Bedauerlich ist, dass das Objektiv laut Sigma nicht mit Konvertern kompatibel ist. Insbesondere die Kombination mit einem 1,4fach-Konverter (es entstünde  ein 2,5/70-140 mm-Zoom) würde die Einsatzmöglichkeiten beträchtlich erweitern. Mechanisch kann man zwar einen Konverter problemlos montieren – ich habe das mit einem Kenko Teleplus MC4 DGX ausprobiert. An der EOS 50D irrte der AF dann aber meist hilflos hin und her und an der EOS 80D fand überhaupt keine Kommunikation zwischen Objektiv und Kamera mehr statt.

Autofokus

Der Autofokus funktioniert schnell und recht leise. Bei Videoaufnahmen ist allerdings, wenn man den Ton mit dem Kamera-Mikrofon aufzeichnet, gleichwohl ein störendes Geräusch festzustellen. Für den Fotoeinsatz ist das natürlich nicht relevant. Das Objektiv ist mit Sigmas USB-Dock kompatibel, mit dem sich eine Feinjustage der Fokussierung durchführen lässt. Ich hatte das Zoom mit zwei unterschiedlichen Kameras im Einsatz (Canon EOS 50D und 80D) und konnte dabei keine signifikanten Fokusfehler feststellen. Auch sich schnell bewegende Motive, wie größere anfliegende Vögel waren sicher zu fokussieren.

Bildqualität

Die Schärfe ist schon bei offener Blende überragend – bis in die Ecken, bei allen Brennweiten. Abblenden über f/2,8 hinaus bringt praktisch keine Verbesserung mehr. Das Objektiv ist also explizit für die Verwendung bei offener Blende optimiert – was ebenso erfreulich wie sinnvoll ist. Die Verzeichnung ist gering tonnenförmig am kurzen Ende und leicht kissenförmig jenseits von 70 mm. Bei rund 60 mm  ist keine Verzeichnung erkennbar. Die bei f/1,8 sichtbare Vignettierung fällt moderat aus (etwa 1,5 Blendenstufen Abfall zu den Rändern), wird durch leichtes Schließen der Blende auf f/2 schon merklich reduziert und verschwindet bei f/2,8 vollständig. Chromatische Aberration ist lediglich bei der kurzen Brennweite erkennbar (sehr dünner magentafarbener Saum an scharfen Kanten). Bei längeren Brennweiten spielt sie keine Rolle. Kritisch ist lediglich das Verhalten bei Gegenlicht, besonders, wenn die Sonne mit im Bild ist. Dann zeigen sich immer wieder unschöne farbige Reflexe und brillanzmindernde Schleier. Gelingt es, die Sonne z.B. hinter Wolken zu „verstecken“, tritt das Problem nicht auf.

Fazit

Das Sigma 50-100 mm F1,8 DC HSM | Art glänzt durch überragende Abbildungsleistungen und eine sehr solide, präzise Konstruktion. Die Kombination aus hoher Lichtstärke und dem gebotenen Brennweitenbereich ist derzeit ohne Konkurrenz. Für die Fotografie unter schwierigen Lichtbedingungen sowie für die Gestaltung mit selektiver Schärfe stellt dieses Objektiv ein sehr leistungsfähiges Werkzeug dar. In Kombination mit dem 18-35 mm F1,8 DC HSM | Art lässt sich ein kleinbildäquivalenter Bereich von rund 27 bis 150 mm mit extrem hoher Lichtstärke abdecken. Das ist nicht nur für die klassische Reportagefotografie oder auch für Indoor-Sportereignisse interessant, sondern auch für Naturfotografie unter schwierigen Lichtbedingungen oder für Fotografen, die gerne ganz gezielt mit möglichst geringer Schärfentiefe gestalten möchten. Das Gewicht ist allerdings – vor allem, wenn man beide Objektive einsetzt – beträchtlich. Der Preis hingegen ist mit derzeit etwa 1.080 € vergleichsweise moderat. 


Hans-Peter Schaub
www.hanspeterschaub.de


Lichtstarkes Schwergewicht
Mit rund 1,5 Kilogramm und einer Länge von 170 mm ist das Sigma-Telezoom ungefähr so groß wie ein 2,8/70-200 mm-Objektiv. Dafür bietet es einen deutlich kleineren Zoombereich (rund 75 bis 150 mm kleinbildäquivalent) aber eben auch eine besonders hohe Lichtstärke. Die Streulichtblende ist selbstverständlich im Lieferumfang enthalten, ebenso wie die sehr solide, besonders kompakte Stativschelle, die nicht abnehmbar ist.

Sigma 50-100mm F1,8 DC HSM | Art

Aufbau: 21 Elemente/15 Gruppen
Blendenbereich: 1,8 – 16 Anzahl Blendenlamellen: 9
Bildwinkel (diag.): 31,7°– 16,2°  
Naheinstellgrenze: ca. 95 cm
Min. Abstand (ab Frontlinse): ca. 69 cm
Max. Abbildungsmaßstab: ca. 1:6,7
Filtergewinde: 82 mm
Fokussierung: Ultraschall-AF/MF
Weitere Merkmale: kompatibel mit
Sigma-USB-Dock, Innenfokussierung, Stativschelle (rastet in 90°-Schritten ein, nicht abnehmbar), Streulichtblende m Lieferumfang
Anschlüsse: Canon EF, Nikon F, Sigma
Abmessungen (mm):
ca. 94 (D) x 170 (L)
Gewicht: rund 1.498 Gramm
Straßenpreis: ca. 1.080 €