Mit dem 1,8/14 mm-Weitwinkel hat Sigma erneut ein bislang einzigartiges Objektiv im Programm. Üblicherweise sind Festbrennweiten mit derart großem Bildwinkel mit einer größten Öffnung zwischen f/2,8 und f/4 ausgestattet. Das Sigma-Objektiv bietet damit also um mindestens 1,3 Blendenwerte höhere Lichtstärke. Wie zu erwarten, schlägt sich das im Gewicht nieder. Im Vergleich zu den 2,8/14 mm-Modellen von Canon oder Samyang bringt Sigmas Lichtriese mit seinen 1.170 Gramm rund das Doppelte auf die Waage und ist allein schon aufgrund der gewaltigen Frontlinse auch erheblich voluminöser. Basis der Entwicklung derart lichtstarker Weitwinkelobjektive ist die Fähigkeit, blankgepresste asphärische Frontlinsen hoher Präzision mit einem Durchmesser von 80 mm herzustellen. Hinsichtlich der Abmessungen und des Gewichts entspricht die 14 mm-Festbrennweite ungefähr dem 2,8/14-24 mm Zoom, welches Sigma ebenfalls im Angebot hat.
In der Hand
Das Objektiv ist groß, schwer und macht einen äußerst soliden Eindruck. Der Fokussierring ist breit und griffig. Die Streulichtblende ist fest angebaut und aufgrund der eindrucksvoll großen, vorgewölbten Frontlinse verfügt das Objektiv auch nicht über ein Filtergewinde. Für die Canon-EF-Ausführung ist allerdings ein Halter für Gelfilterfolien verfügbar, der hinten am Objektiv montiert wird (FHR-11, ca. 40 €). Es ist sicher sinnvoll, sich anzugewöhnen, wann immer man das Objektiv nicht benutzt, die solide Schutzkappe überzustülpen, um die Gefahr von Beschädigungen zu minimieren. Zwar ist die Frontlinse mit einer Fett und Wasser abweisenden Vergütung versehen, die das Reinigen erleichtert, vor mechanischen Schäden aber bietet sie kaum ausreichenden Schutz. Abgesehen vom Fokussierring ist der AF-/MF-Schalter das einzige weitere Bedienelement. Das setzt einem versehentlichen Verstellen recht viel Wiederstand entgegen, lässt sich aber auch mit Handschuhen problemlos betätigen.
Gegen das Eindringen von Schmutz oder Spritzwasser ist das Objektiv lediglich mit einer Gummilippe am Bajonett ausgestattet. Allerdings gibt es ansonsten auch wenig Möglichkeiten, wo Staub oder Feuchtigkeit ins Objektivinnere gelangen könnten und insofern hätte ich persönlich keine Bedenken, das Weitwinkel auch bei schlechtem Wetter einzusetzen.
Fokussieren
Der Autofokus arbeitet an der im Test verwendeten Canon EOS 5D Mk IV schnell, leise und genau – sowohl im konventionellen Phasen-detektions- (Blick durch den Sucher) als auch im LiveView-Modus (Dual-Pixel-AF). In der Landschaftsfotografie und hier besonders bei Nachtaufnahmen stellen manche Fotografen dennoch die Schärfe lieber manuell ein. Um von Unendlich an die Naheinstellgrenze von 27 cm (rund 8 cm Abstand zur Frontlinse) zu fokussieren, bedarf es ungefähr einer Vierteldrehung. Das ist für präzises manuelles Fokussieren meines Erachtens ein kleines bisschen knapp, denn gerade bei extremen Weitwinkeln ist manuelles Fokussieren – da die Motivstrukturen, anders als bei Teleobjektiven, im Sucher meist recht klein erscheinen – gar nicht so einfach. Insbesondere, wenn man die offene Blende auch gestalterisch nutzen möchte, kommt der exakten Einstellung der Schärfe entscheidende Bedeutung zu. LiveView und die digitale Sucherlupe sind daher beinahe unverzichtbare Hilfsmittel.
Abbildungsleistung
Schärfe und Brillanz sind bereits bei offener Blende hervorragend. Nur zu den Rändern macht sich ein leichter Abfall bemerkbar, der jedoch bei vielen Motiven – insbesondere in der Landschaftsfotografie – kaum negativ in Erscheinung treten dürfte. Ab f/5,6 sind auch die letzten Randunschärfen verschwunden. Die Vignettierung bei offener Blende ist durchaus sichtbar. Der Helligkeitsabfall zu den Rändern fällt allerdings sehr weich aus, so dass sich dieser, bei derartigen Superweitwinkelobjektiven unvermeidliche Fehler allenfalls bei homogenen, hellen Hintergründen negativ bemerkbar macht. Zudem lässt sich das ohne signifikante Qualitätseinbußen in der Nachbearbeitung korrigieren. Schon das geringfügige Schließen der Blende auf f/2 reduziert die Vignettierung merklich, ab f/4 bis f/5,6 ist sie komplett verschwunden. Das Gesagte gilt natürlich nur für Kameras mit Kleinbildsensor. Bei Modellen mit Sensoren im APS-C-Format spielt Vignettierung keine praxisrelevante Rolle.
Sehr gut korrigiert ist auch die chromatische Aberration. Um zarte Farbsäume in den Randbereichen eines Bildes zu erkennen, muss man sich am Bildschirm schon mindestens auf 100 Prozent einzoomen. Auch dieser Fehler lässt sich zudem in der Nachbearbeitung – beispielsweise in Lightroom – sehr einfach korrigieren.
Ein derart lichtstarkes Superweitwinkel löst natürlich besonders bei denen Begeisterung aus, die gerne Sternhimmel fotografieren. Der große Bildwinkel erlaubt es beispielsweise große Teile der Milchstraße in einem Bild zu erfassen. Die hohe Lichtstärke ermöglicht entweder kurze Belichtungszeiten (um Sterne tatsächlich als Punkte zu erfassen) oder relativ niedrige ISO-Einstellungen. Voraussetzung ist allerdings eine bestmögliche Korrektur des Koma-Fehlers, der, tritt er stark in Erscheinung, dafür sorgt, dass punktförmige Lichter verzerrt wiedergegeben werden. Erfreulicherweise überzeugt das Objektiv auch in der Disziplin. Lediglich bei voller Öffnung tritt der Fehler in Erscheinung. Schon das Schließen auf einen Wert zwischen f/2,2 und f/2,8 macht aus den zu kleinen »Lichtvögeln« verzerrten Sternen wieder die erwünschten Punkte.
Eine weiteres, für viele Fotografen wünschenswertes Merkmal ist die sternförmige Abbildung der Sonne. Mit dem Sigma-Weitwinkel erzielt man bereits bei f/11 schöne »Sonnensterne«. Die kleinste Blende des Objektivs ist f/16. Diese Beschränkung ist aus Qualitätsgründen sinnvoll. Bis f/16 bleibt der negative Einfluss der Beugungsunschärfe so gering, dass man tatsächlich den gesamten Bereich zwischen f/1,8 und f/16 ohne praxisrelevante Abstriche nutzen kann. Man kann daher die Entscheidung für eine bestimmte Blende allein aus gestalterischen Erwägungen heraus treffen, denn die Bildqualität stimmt unabhängig von der eingestellten Blende.
Ach ja, fast hätt’ ich’s vergessen: Die Verzeichnung ist bei solchen Weitwinkelobjektiven oft ein kritischer Punkt. Nicht so allerdings bei diesem. Die minimal tonnenförmige Verzeichnung dürfte auch ohne Korrektur in der Nachbearbeitung selbst bei kritischen Motiven kaum negativ auffallen.
Fazit
Kompakt geht anders. Das 1,8/14 mm-Superweitwinkel ist ein eindrucksvoller Brocken. Das Schleppen wird einem jedoch durch die über den gesamten Blendenbereich sehr hohe Abbildungsleistung versüßt und darauf kommt es ja letztendlich in der Regel an. Insbesondere für die rapide steigende Anzahl von Fotografen, die sich für Aufnahmen von Sternhimmeln begeistern, ist das Sigma-Objektiv aufgrund der exzellenten Korrektur aller relevanten Abbildungsfehler in Verbindung mit der konkurrenzlos hohen Lichtstärke uneingeschränkt zu empfehlen.
Hans-Peter Schaub
www.hanspeterschaub.de
Das Bild zeigt einen stark vergrößerten Ausschnitt vom Randbereich einer Aufnahme des Sternhimmels. Bei offener Blende ist die charakteristische Verzeichnung punktförmiger Lichtquellen gut zu erkennen (Ausschnitt rechts). Schließt man die Blende auf f/2,8 (Ausschnitt links), ist der Fehler beseitigt. Um den Effekt deutlich sichtbar zu machen, wurden die Ausschnitte auf 400 Prozent vergrößert. Das Objektiv ist also schon bei nahezu offener Blende sehr gut für Weitwinkelaufnahmen des Sternhimmels geeignet.