Viel Brennweite – wenig Gewicht


Das Tamron 100-400 mm F/4,5-6,3 Di VC USD in der Praxis

So lange ist das gar nicht her, dass so manche Fotografen beim Stichwort »lange Brennweite« eher an schwere Schlepperei als an tolle Bild dachten. Dank sehr leistungsfähiger und dennoch relativ leichter Telezooms hat sich das in den letzten Jahren erheblich gewandelt. Den Anfang machten die ganz langen »Tüten« mit einem Brennweitenbereich von 150 bis 600 mm. Mitte letzten Jahres brachte Sigma ein sehr kompaktes 100-400mmZoom (NaturFoto 7-2017) und im Herbst folgte dann das noch ein paar Gramm leichtere Pendant von Tamron. Das hat Hans-Peter Schaub nun gründlich ausprobiert.

Schlank und angesichts der Brennweite sehr kompakt präsentiert sich Tamrons 4,5-6,3/100-400 mm-Zoom. Das knapp 1.140 Gramm schwere Objektiv findet mit einer Baulänge von rund 20 cm bequem in jeder mittelgroßen Fototasche Platz, was man vom »großen Bruder«, dem 26 cm langen und rund zwei Kilogramm schweren 5-6,3/150-600 mm sicher nicht sagen kann. An Kameras mit APS-C-Sensor deckt es dennoch den gleichen Brennweitenbereich ab wie das 150-600 mm an der Vollformatkamera, und wenn man sich mit kleinbildäquivalenten 600 mm begnügen kann, ergibt sich ein beträchtlicher Gewichtsvorteil für das System mit dem kleineren Sensor. Aber auch für »Vollformat-Fotografen« ist das vergleichsweise leichte Supertelezoom eine interessante Option, wenn es darum geht, viel Tele bei möglichst geringem Gewicht – etwa auf Flugreisen oder bei längeren Wanderungen – zur Verfügung zu haben.


In der Hand

Das Objektiv ist sehr gut verarbeitet. Zoom- (vorne) und Fokussierring (hinten) sind jeweils breit und griffig. Mehrere Dichtungen im vorwiegend aus Magnesium gefertigten Tubus sowie eine Dichtlippe am Bajonett sollen das Eindringen von Schmutz und Feuchtigkeit verhindern. Eine Fluor-Beschichtung der Frontlinse macht diese sowohl öl- als auch wasserabweisend. Zur langen Brennweite gezoomt wird, wie bei Tamron (und Nikon) üblich, durch Drehen nach rechts. In maximaler Telestellung »wächst« das Zoom um rund sieben Zentimeter. Eine Zoom-Lock-Taste verhindert das unerwünschte Ausfahren des Tubus. Anders als beim 150-600 mm-Zoom funktioniert das Arretieren allerdings nur bei der kurzen Brennweite. Der AF/MF-Schalter bietet in der mit »Limit« gekennzeichneten Zwischen­position eine Fokusbereichslimitierung. Standardmäßig ist sie so eingestellt, dass sie, ist das Objektiv bei Aktivierung der Funktion auf eine größere Entfernung als 7 Meter fokussiert, den Bereich auf 7 Meter bis Unendlich limitiert. Ist das Objektiv hingegen auf unter 7 Meter fokussiert, gilt die Limitierung von 1,5 bis 7 Meter. Das ist recht praxistauglich, lässt sich aber mittels der als Zubehör erhältlichen TAP-in-Konsole (ca. 70 €) beliebig anpassen. 
Mit seinen 1.136 Gramm kann man das Objektiv – zumindest an einer DSLR mit Metallbajonett – ohne Weiteres ohne Stativschelle vom Stativ einsetzen. Wer das Zoom allerdings öfter vom Stativ einzusetzen gedenkt, sollte die rund 150 € für die als Zubehör erhältliche Schelle beim Kauf mit einkalkulieren. Diese lässt sich bei Bedarf einfach an- und abmontieren. Lobenswert ist die Arca-Swiss-kompatible Fräsung im Fuß, welche die Befestigung in einer entsprechenden Schnellkupplung ohne zusätzliche Platte gestattet. 


AF & Bildstabilisator

Der AF basiert auf Ultraschall und arbeitet schnell und leise. Auffällig, aber nicht überraschend war der merkliche Geschwindigkeitsunterschied bei der Fokussierung zwischen älteren (EOS 50D und 5D Mk II) und aktuelleren Kameramodellen (EOS 5D Mk III und IV). Bei Verwendung des kompatiblen Tamron-1,4fach-Konverters war nur eine leichte Abnahme der AF-Geschwindigkeit zu verzeichnen, die sich in der Praxis – etwa bei der Aufnahme fliegender Wasservögel – kaum bemerkbar machte. Der Bildstabilisator arbeitet äußerst effektiv. An einer Kamera mit Kleinbildsensor gelangen in Telestellung (400 mm) bis zu Zeiten von 1/20 sec noch zuverlässig mit einer Trefferquote von etwa 25 Prozent unverwackelte Bilder. Das entspricht gut vier Blendenstufen. Bei Belichtungszeiten von 1/100 sec (zwei Blendenstufen) lag die Trefferquote deutlich über 50 Prozent. Mittels TAP-in-Konsole lässt sich der Bildstabilisator so einstellen, dass die Priorität auf der Stabilisierung des aufgenommenen Bildes und nicht auf einem besonders stabilen Sucherbild liegt. Das bringt durchaus eine merkliche Verbesserung, weshalb ich, da mich ein etwas unruhigeres Sucherbild nicht stört, das eingestellt habe.  


Bildqualität

Das Objektiv ist – wie angesichts der relativ geringen Lichtstärke auch wünschenswert – problemlos bei offener Blende einsetzbar. Auch bei der längsten Brennweite sind die Bilder dann scharf. Abblenden um ein bis zwei Stufen bringt bei Verwendung des Objektivs an einer Kamera mit Kleinbildsensor vor allem zu den Rändern hin eine merkliche Verbesserung. Bei Kameras mit APS-C-Sensor sind weder Schärfeabfall zum Rand noch Vig­nettierung praxisrelevant. Für viele Naturmotive ist das allerdings ohnehin nicht von entscheidender Bedeutung. An Kanten, insbesondere an Übergängen von Schwarz zu Weiß, ist eine geringe chromatische Aberration in Form dünner magentafarbener oder grüner Säume erkennbar, die sich allerdings leicht in der Nachbearbeitung korrigieren lässt.
Tamrons 1,4fach-Konverter ist zwar auch mit dem 100-400 mm-Zoom kompatibel, allerdings liefert die Kombination bei Brennweiten ab 500 mm bei offener Blende keine überzeugenden Ergebnisse. Abblenden bringt zwar eine Verbesserung, ist aber angesichts der geringen Lichtstärke in der Praxis meist nicht wünschenswert. Zudem gilt zu beachten, dass bei älteren Kameramodellen aufgrund deren weniger empfindlichen AF nur manuelles Fokussieren möglich ist. Wer den Konverter nicht ohnehin besitzt, um ihn beispielsweise mit dem 70-200 mm-Zoom zu verwenden, sollte ihn sich nicht unbedingt speziell für dieses Zoom anschaffen.


Fazit

Insbesondere Tierfotografen freuen sich oft über jeden Millimeter mehr an Brennweite, und insofern werden die aktuellen, kompakten 100-400 mm-Objektive, die Sigma und seit letztem Herbst auch Tamron im Angebot haben, im Vergleich zu den weit verbreiteten 70-300 mm-Zooms zu attraktiven Alternativen – nicht nur für dieses Zielgruppe. Das Tamron-Modell wiegt im Vergleich zur 70-300 mm-Variante desselben Herstellers nur etwa 370 Gramm mehr, bietet aber bei nur wenig geringerer Lichtstärke (1/3-Blendenstufe) doch mitunter entscheidende 100 Millimeter mehr Tele. Sowohl an Kameras mit Kleinbild- als auch mit APS-C-Sensor hinterlässt das Objektiv einen durchweg positiven Eindruck. Gute Abbildungsleistung, ein schneller AF und ein sehr effektiver Bildstabilisator sowie die umfassende Abdichtung machen es zum vielseitig einsetzbaren und vor allem gut transportablen Supertelezoom. Nicht so recht zu überzeugen vermochte allerdings, anders als in Verbindung mit dem 5-6,3/150-600 mm-Zoom (siehe Natur­Foto 4-2017), die Kombination mit dem 1,4fach-Konverter. Richtig scharfe Bilder sind bei offener Blende dann nur bis etwa 500 mm möglich. 
Wer gerne auch mit längeren Belichtungszeiten zum Beispiel Landschaften vom Stativ aus fotografiert, sollte die leider nicht im Lieferumfang enthaltene Stativschelle gleich zusammen mit dem Objektiv anschaffen. Sinnvoll ist zudem auch der Kauf der TAP-in-Konsole, die neben einem einfachen Firmware-Update auch die unkomplizierte Anpassung von Bildstabilisator und Autofokus erlaubt.

Hans-Peter Schaub
www.hanspeterschaub.de


Tamron 100-400mm 
F/4.5-6.3 Di VC USD

Aufbau: 17 Elemente/11 Gruppen
Blendenbereich: 4,5/6,3 – 32/45  
Anzahl Blendenlamellen:
Bildwinkel (diag.): 24°24’ – 6° 12’ 
(Kleinbild)  
Naheinstellgrenze: ca. 1,3 m
Min. Abstand (ab Frontlinse): ca. 97 cm 
Max. Abbildungsmaßstab: ca. 1:3,6 
Filtergewinde: 67 mm
Fokussierung: Ultraschall-AF/MF
Weitere Merkmale: kompatibel mit TAP-
in-Konsole, Fokusbereichs-Begrenzung (konfigurierbar über TAP-in-Konsole) 
Abdichtung gegen Staub und Feuchtigkeit, Streulichtblende im Lieferumfang, Stativschelle als Zubehör (A035TM, ca. 150 €)
Anschlüsse: Canon EF, Nikon F, Sony-A
Abmessungen (mm):
ca. 86,2 (D) x 199 (L) 
Gewicht: rund 1.136 Gramm (1.282 Gramm mit optionaler Stativschelle) 
Straßenpreis: ca. 1.100 €