Lanzarote – mit leichtem Gepäck


Die Sony Cyber-shot RX10 IV in der Praxis

Der Blick auf die technischen Daten der Sony RX10 IV weckt große Erwartungen. Ein kleinbildäquivalentes 24-600 mm-Superzoom, schneller Hybrid-AF, enorm hohe Bildfrequenz, umfangreiche Video-Optionen, ein relativ großer 1 Zoll-Sensor – und das alles verpackt in einem Gehäuse, das nicht größer ist als eine DSLR mit angesetztem Standardzoom. Theoretisch lässt Sonys Bridgekamera kaum Wünsche offen und bietet sich daher offensichtlich als ideale Reisekamera an. Hans-Peter Schaub war mit dem vielversprechenden Allround-Gerät auf der Kanareninsel Lanzarote unterwegs. 

Eine für alles?

Reisende Fotografen haben, zumal wenn mit dem Flugzeug unterwegs, häufig ein Gewichtsproblem – zumindest bezüglich des Handgepäcks. Die oft zugelassenen sechs bis acht Kilogramm sind mit einer Spiegelreflexkamera nebst vier bis fünf Objektiven und dem üblichen Kleinkram schnell überschritten. Die Folge: Anspannung beim Check-in und nicht selten Diskussionen mit dem mehr oder minder freundlichen Personal am Counter. Wie schön wäre es da, wenn man mit einer kompakten Kamera alle potenziellen Motivbereiche abdecken könnte – freilich ohne dabei merkliche Abstriche an der technischen Qualität der Bilder machen zu müssen. Zumindest theoretisch kommt die Sony RX10 IV diesem Wunschtraum ziemlich nah. Sieht man vom extremen Weitwinkel­bereich ab, dürfte das fest verbaute, sehr lichtstarke Zeiss Vario-Sonnar 2,4-4/8,8-220 mm mit seinem kleinbildäquivalenten Brennweitenbereich von 24 bis 600 mm kaum Wünsche offen lassen. Auf einer Reise nach Lanzarote im Frühling wollte ich die Probe aufs Exempel machen. Kann man sich als anspruchsvoller, an ein umfangreiches Kleinbildsystem gewöhnter Fotograf tatsächlich mit solch einer »eierlegenden Wollmilchsau« zufrieden geben?

Kein Handgepäckstress

Einschließlich der unverzichtbaren Filterpalette (ND, Pol, Grauverlauf), einem +5 dptr.-Vorsatzachromaten, zwei Ersatzakkus, einem Ladegerät und diversen SD-Karten wog die komplette Ausrüstung gut zwei Kilogramm. Entspannter war ich noch nie beim Check-in. Zusätzlich befand sich im Koffer noch ein leichtes Stativ mit Kugelkopf, dass die gut ein Kilo schwere Kamera sicher tragen kann.  

In der Hand

Die RX10 IV ist für sich genommen natürlich keine wirklich leichte Kamera. 1.120 Gramm wiegt sie komplett betriebsbereit (einschließlich Sonnenblende). Eine Canon EOS 5D Mk III beispielsweise aber bringt es allein mit einem 2,8/24-70 mm-Standardzoom schon auf rund 1.850 Gramm, und um den gleichen Brennweitenbereich bei zumindest annähernd gleicher Lichtstärke abzudecken, bedürfte es noch mindestens zweier weiterer Zooms. Gewicht ist also relativ. Die RX10 IV liegt dank deutlich ausgeformtem Handgriff gut in der Hand. Das solide Gehäuse ist gegen Staub und Spritzwasser versiegelt. Die Bedienelemente sind auch mit großen Händen gut erreichbar. Drei individuell programmierbare Funktionstasten sowie die im Menü konfigurierbare »Mein Menü«-Option machen es relativ einfach, die Kamera so anzupassen, dass die Bedienung schon nach kurzer Eingewöhnung leicht fällt. Das Handbuch ist dabei allerdings keine große Hilfe. Das hat zwar viele Seiten, ist allerdings vielsprachig, so dass es in der jeweiligen Sprache nur für die allereinfachsten Grundlagen reicht. Ausführlicher ist zwar die online verfügbare Hilfe, aber nicht jeder will oder kann ständig online sein, um Fragen zur Kamera zu lösen. Ich habe mich vor Reiseantritt einen Nachmittag unter Nutzung der Online-Hilfe mit den Funktionen vertraut gemacht, die wichtigsten Einstellungen in »Mein Menü« registriert, die Funktionstasten meinen Vorlieben entsprechend belegt und habe dann in der Folge kein Handbuch mehr vermisst. Die Kamera verfügt über ein SD-/Memory Stick-kompatibles Kartenfach. Der Zugriff auf die Speicherkarte ist mit großen Fingern oder gar Handschuhen leider ziemlich schwierig. 
Richtiggehend analog ist der Blendenring, der wahlweise in Drittelstufen einrastet oder eine stufenlose Anpassung der Blende gestattet. Gewöhnungsbedürftig ist der Zoomring, denn der arbeitet elektronisch und damit indirekt. Zwar kann man dadurch die Drehrichtung ebenso wählen wie welcher der beiden Ringe fürs Fokussieren beziehungsweise Zoomen zuständig ist, dafür aber erfolgt beides für meinen Geschmack oft zu langsam und unpräzise. Für Videoaufnahmen allerdings ist natürlich die auch per Zoomhebel am Auslöser verstellbare Brennweite zweifellos von Vorteil.

Sucher und Display

Der Sucher ist recht groß und liefert ein klares, ruckelfreies Bild. Die Optionen das Histogramm einzublenden oder auch bei Bedarf für manuelles Fokussieren die Sucherlupe oder Peaking nutzen zu können, sind für mich wichtige Vorzüge der elektronischen Sucher. Das klappbare Display ist ebenfalls hell und brillant. Zwar verfügt es nicht über die mittlerweile von vielen Kameras gewohnte umfangreiche Touch-Funktionalität, bietet aber einige sehr praktische Optionen. So lässt sich das Display als Touchpad konfigurieren, mit dem man sehr schnell den gewünschten AF-Punkt anwählen kann. Dabei kann man sowohl das gesamte Display als auch nur einen Bereich links oder rechts für diese Funktion nutzen. Insbesondere bei Videoaufnahmen ist zudem das in der Geschwindigkeit einstellbare Ändern der Schärfeebene mittels Fingerzeig interessant.

Autofokus und Bildfrequenz

Die Kamera verfügt über ein hybrides AF-System, wobei – anders als bei DSLRs – die Messpunkte des schnellen Phasendetektions-AF nahezu das gesamte Sucherbild abdecken. In Verbindung mit der erwähnten Touchpad-Funktion kann man so den gewünschten Schärfepunkt blitzschnell mit dem Daumen festlegen. Bei sich relativ langsam bewegenden Motiven, wie etwa fliegenden Möwen, war der AF auch in der Lage das Motiv recht zuverlässig zu verfolgen. Bei flotteren »Flugobjekten« wie beispielsweise Mauerseglern, sank die Trefferquote allerdings beträchtlich. Trotz der Anzeige des richtigen AF-Messfeldes im Sucher war das Motiv dann oft nicht optimal scharf. Alles in allem aber liefert der AF eine solide Vorstellung und zeigt sich den meisten Motiven gewachsen. Umso mehr, als die Nachführ-AF-Funktion selbst bei der maximalen Bildrate von 24/sec noch zur Verfügung steht. In den meisten Fällen habe ich mich bei dynamischen Motiven auf die mittlere Frequenz von 10 Bildern/sec beschränkt, die eigentlich immer ausreichte. In beiden Fällen kann man jeweils deutlich über 100 Raw-Bilder in Folge schießen und stößt damit vermutlich nur selten an Grenzen. Ist der Pufferspeicher allerdings erst einmal voll, muss man sich schon einige Sekunden gedulden, bevor man mit Highspeed weiterschießen kann.

Video

Die Kamera bietet umfangreiche Video­funktionen, von denen im Rahmen dieses Beitrags, in dem der Fokus auf den fotografischen Möglichkeiten liegt, nur einige kurz erwähnt werden sollen. So sind 4K-Videos mit bis zu 30 fps bei Datenraten von 100 Mbit in sehr guter Qualität möglich. Einziger Nachteil: AF-Tracking steht dabei nicht zur Verfügung. Im High Frequency Mode (HFR) lassen sich kurze Sequenzen in extremer Zeitlupe mit bis zu 960 Bildern pro Sekunde in Full HD-Auflösung aufzeichnen. Besonders interessant fand ich, dass man festlegen kann, ob die Sequenz vor oder nach dem Druck auf den Auslöser auf der Speicherkarte gesichert wird. So lassen sich selbst schwer vorhersehbare Ereignisse mit hoher Trefferquote festhalten.

Objektiv

24 bis 600 mm – das ist ein gewaltiger Zoombereich und der ließ bei mir im Verlauf der Reise eigentlich kaum Wünsche offen. Lediglich im extremen Weitwinkelbereich wünschte ich mir manchmal eine etwas kürzere Brennweite. Allerdings lässt sich das – zumindest bei Landschaftaufnahmen – ja oft auch ganz gut entweder über die integrierte Schwenkpanorama-Funktion oder über ein manuell fotografiertes Panorama aus drei oder vier Einzelbildern lösen. Denkbar wäre auch die Verwendung eines hochwertigen Weitwinkelvorsatzes. Die kurze Naheinstellgrenze bei der Telebrennweite eröffnet interessante Möglichkeiten im Nahbereich. Blüten, Reptilien oder große Insekten kann man so ohne zusätzliche Hilfsmittel schon ansprechend ins Bild setzen. Für »richtige« Makroaufnahmen ist ein Vorsatzachromat als Ergänzung sicher hilfreich. Ich hatte einen +5 dptr-Vorsatz von Marumi dabei, der gut mit dem Objektiv harmonierte. Trotz der hohen Lichtstärke, dem riesigen Zoombereich und der entsprechend komplexen Konstruktion liefert das Objektiv eine insgesamt überzeugende Leistung und zwar schon bei offener Blende. Die Verzeichnung fällt – sicher nicht zuletzt aufgrund des integrierten und von Lightroom automatisch interpretierten Korrekturprofils – auch im Weitwinkelbereich nicht auf. In Telestellung allerdings kommt es bei offener Blende zu einer merklichen Vignettierung, die insbesondere vor hellem Hintergrund störend wirken kann. Leichtes Abblenden um ein bis maximal zwei Stufen schafft Abhilfe. Mehr als um zwei Stufen sollte man die Blende ohnehin nicht schließen, da dann bereits die Beugungsunschärfe für eine merkliche Minderung der Bildqualität sorgt. Angechts der langen Brennweite kommt dem Bildstabilisator natürlich eine hohe Bedeutung zu. Der blieb allerdings etwas hinter den Erwartungen zurück. Im Durchschnitt erzielte ich im Telebereich einen Gewinn von rund drei Blendenstufen an Verwacklungssicherheit und erreichte damit nicht ganz die etwas optimistische Vorgabe von 4,5 Blendenstufen des Herstellers. Gleichwohl gab es während der Reise, sieht man von gezielten Langzeitbelichtungen und Nachtaufnahmen ab, selten Situationen, die ein Stativ erforderlich machten. 

Bildqualität

Der im Vergleich zum Kleinbildformat ja erheblich kleinere Sensor lieferte eine insgesamt durchaus erstaunliche Bildqualität. Im Bereich zwischen ISO 100 und 800 spielt Rauschen keine praxisrelevante Rolle und so kann man, wenn Verwacklungsgefahr droht, in diesem Rahmen problemlos die Empfindlichkeit steigern. Auch zwischen ISO 1.600 und 4.000 bleibt das Rauschen dezent und recht feinkörnig, so dass man bei entsprechenden Lichtverhältnissen ohne Weiteres auch solche Werte einstellen kann. Noch höhere Empfindlichkeiten sind möglich, hier zeigt sich dann aber doch ein deutlicher Unterschied zu den Kameras mit größeren Sensoren. Erfreulich groß ist auch der darstellbare Kontrastumfang. So kann man, wenn es darum geht die Strukturen in den Lichtern zu erhalten, kontrastreiche Motive ohne Weiteres um zwei oder drei Stufen unterbelichten. Die dunklen Bildpartien lassen sich dann in der Nachbearbeitung aufhellen, ohne dass dabei das Bildrauschen zunimmt. 

Fazit

Die RX10 IV ist eine enorm vielseitige Kamera, die dank ihrem exzellenten Objektiv, dem leistungsfähigen 1 Zoll-Sensor und dem schnellen, in den meisten Fällen präzisen AF nahezu allen fotografischen Aufgabenstellungen gewachsen ist. Wer ein möglichst breites Spektrum an Motiven in hoher Qualität mit einer möglichst kleinen Ausrüstung abdecken möchte, sollte die Sony auf jeden Fall in Betracht ziehen. Mit einem Listenpreis von rund 2.000 € ist sie allerdings beileibe kein Schnäppchen. Natürlich muss man gegenüber einer Kamera mit APS-C- oder gar Kleinbildsensor Abstriche akzeptieren. Bei extremen ISO-Einstellungen über 3.200 wird der Unterschied ebenso deutlich wie bei den Möglichkeiten, mit selektiver Schärfe zu gestalten. Andererseits muss man, wenn viel Schärfentiefe gefragt ist, deutlich weniger stark abblenden und kann daher auch oft auf ein Stativ verzichten. Zusätzliche Argumente mögen für manchen die umfassenden Videofunktionen liefern, einschließlich extremer Zeitlupen in Full HD-Auflösung, die im Rahmen dieses Tests nur kurz gestreift werden konnten. Die ideale Allround-Reisekamera also? Aus meiner Sicht ist sie zumindest sehr nah dran. Die schwere Spiegelreflexkamera habe ich unterwegs tatsächlich nur selten vermisst.      
                                                                                                                       Hans-Peter Schaub
                                                                                                                       www.hanspeterschaub.de

DSLR-Look
Die RX10 IV unterscheidet sich auf den ersten Blick weder in Form noch Größe von einer Spiegelreflexkamera. Die Bedienelemente, wie Einstellräder und programmierbare Funktionstasten, sorgen auch für eine vergleichbare Handhabung. Deutlich unterscheidet sich die Kamera von Systemkameras durch das fest eingebaute Zoom, das sich sowohl über den Drehring als auch durch den Zoomhebel am Auslöser verstellen lässt.  

Sony Cyber-shot RX10 IV
Bildsensor: CMOS 1 Zoll (13,2 x 8,8 mm), 5.472 x 3.648 Pixel, Auflösung (effektiv): 20,1 Mio. Pixel, Beschnitt­faktor (bezogen auf KB): 2,7
ISO: 100 – 12.800
Dateiformate (Bild): Raw (12 Bit), JPEG
Dateiformate (Video): MP4 (AVCHD H.264), XAVC S, 4K (3.840 x 2.160, max. 30p mit bis zu 100 Mbit/sec), Highspeed-Video (HFR-Modus) mit bis zu 960 Bildern/sec in Full HD-Auflösung
LC-Display: 3 Zoll-LC-Display, 1.440.000 Bildpunkte, schwenkbar (109° nach oben, 41° nach unten), eingeschränkte Touchscreen-Funktionalität
Sucher: OLED, 2,36 Mio. Bildpunkte
Serienbilder: maximal 24 Bilder/sec, bis zu 112 Raws in Folge, 10 Bilder/sec, bis zu 138 Bilder/sec (mit SD-Karte Transcend R285-W180MB/sec)
Objektiv: Zeiss Vario-Sonnar 2,4-4/8,8-220 mm 
(ca. 25-600 mm kleinbildäquivalent)
Naheinstellgrenze (Abstand zur Frontlinse): 
3 cm (WW), 72 cm (Tele)
Kleinstes Objektfeld (Tele): 4,7 x 7cm
Filtergewinde: 72 mm
Weitere Merkmale: Bildstabilisator (Sensor-Shift), WLAN, NFC, Bluetooth, Abdichtungen gegen Staub und Spritzwasser, hybrider AF (Phasendetektion/Kontrast), 315 AF-Felder, die nahezu den gesamten Sucherbereich abdecken, Display als Touchpad zur Wahl des AF-Feldes konfigurierbar,  mechanischer und (bei Bedarf geräuschloser) elektronischer Verschluss (max. 1/32.000 sec), Schwenkpanorama
Speichermedien: SD-/SDHC/SDXC/Memory Stick
Abmessungen: ca. 94 (H) x 133 (B) x 127 mm (T)
Gewicht (betriebsbereit mit Sonnenblende, Akku und SD-Karten): 1.120 Gramm
Straßenpreis: ca. 1.840 € 

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