Ist größer besser?


Die Fujifilm GFX 50S in der Praxis

Mittelformatkameras haben sich auch in der digitalen Fotografie den Ruf erhalten, klobig, schwer und unhandlich zu sein. Das änderte sich, als vor zwei Jahren mit Fujifilm und Hasselblad gleich zwei Hersteller spiegellose Modelle vorstellten, die weder größer noch schwerer als professionelle Kleinbild-DSLRs sind. Hans-Peter Schaub hat eine davon, die Fujifilm GFX 50S, einem ausführ­lichen Praxistest unterzogen und erläutert, wo die Stärken und Schwächen einer solchen Kamera aus der Sicht eines Naturfotografen liegen.

Im Vorfeld der letzten photokina wurde spekuliert, dass Fujifilm nach den erfolgreichen Modellen der X-Serie mit dem exzellenten X-Trans-Sensor im APS-C-Format nun endlich den Sprung zum »Vollformat« wagen würde. Die Erwartungen wurden dann um das 1,7-Fache übertroffen, denn nahezu zeitgleich mit Hasselblad präsentierte Fujifilm eine spiegellose Mittelformatsystemkamera, deren Sensor 1,7-mal so groß ist wie das Kleinbildformat. Das »Vollformat« wurde also übersprungen und bei genauer Betrachtung ergibt das durchaus Sinn. Mit einer weiteren Kleinbild-Vollformatkamera hätte man sich in direkte Konkurrenz zu den großen Herstellern Canon, Nikon und Sony begeben – ohne ein vergleichbares Angebot an Objektiven. Ein entsprechendes System würde zudem vermutlich die eigene APS-C-Baureihe kannibalisieren. Im Mittelformat hingegen ist der Markt zwar deutlich kleiner, aber mit der Hasselblad X1D gibt es nur ein vergleichbares Konkurrenzmodell. 
Wie bei den Kameras mit kleineren Sensoren sorgt der Verzicht auf den optischen Sucher und den Schwingspiegel für vergleichsweise kompakte Gehäuseabmessungen. Sowohl die Fujifilm GFX 50S als auch Hasselblads X1D sind in etwa so groß und schwer wie eine Kleinbild-DSLR. 
Mit knapp 7.000 Euro kostet das GFX 50S-Gehäuse nur wenig mehr als Nikons D5 oder Canons EOS-1D X Mark II. Das ist zwar nicht billig aber dennoch erheblich günstiger als die aktuellen Spiegelreflex-Mittelformatmodelle von Hasselblad und Phase One. Allein die Pentax 645Z liegt in der gleichen Preiskategorie, ist aber eben dank Schwingspiegel und Sucherprisma erheblich schwerer und voluminöser.
Angesichts von Kleinbildkameras, deren Sensoren mittlerweile Auflösungen bis zu 50 Megapixeln liefern, kann man sich die durchaus berechtigte Frage nach dem Sinn einer digitalen Mittelformatkamera – egal ob mit oder ohne Spiegel – stellen. Zumal dann, wenn die Auflösung des Sensors – wie bei den beiden spiegellosen Modellen eben auch – »nur« 50 Megapixel beträgt. Natürlich sind aufgrund der größeren Sensorfläche die einzelnen Pixel deutlich größer, können also mehr Licht »einfangen«, lassen einen größeren Dynamikumfang und geringeres Rauschen erwarten. Andererseits aber ist eben auch das Zubehör-»Ökosystem« im Vergleich zu Kleinbild- oder APS-Systemen erheblich kleiner. Digitale Mittelformatkameras sind, selbst wenn sie so kompakt daherkommen wie die GFX 50S, Spezialisten. Wenn man als Fotograf die zur Kamera passenden Vorlieben hat, darf man allerdings höchste Bildqualität erwarten. Bei den naturfotografischen Themen ist es zweifellos die Landschaftsfotografie, in der man mit Mittelformatkameras glänzen kann und hier liegt auch der Schwerpunkt dieses Praxistests.

In der Hand

Wer bislang mit einer Kleinbild-DSLR fotografiert hat, wird, wenn er die Fujifilm GFX 50S in die Hand nimmt, keinen großen Unterschied feststellen. Das – mit aufgestecktem Sucher – DSLR-ähnliche Gehäuse hat ungefähr dieselbe Größe und ein ähnliches Gewicht und liegt ebenso gut in der Hand. Deutlich ausgeprägte Griffwülste auf der Vorder- und Rückseite der Kamera sorgen dafür, dass man sie auch mit schweren Objektiven, wie etwa dem neuen 4/250 mm-Tele, sicher halten kann. Zwei große Einstellräder für die ISO-Werte sowie für die Verschlusszeiten bzw. Belichtungsmodi dominieren neben einem Zusatzdisplay die Kameraoberseite. Wie auch bei den Spitzenmodellen der X-Serie (z.B. XH-1 oder XT-2) finden sich am soliden, umfassend gegen Feuchtigkeit und Staub abgedichteten Metallgehäuse zahlreiche Bedienelemente, die den direkten Zugriff auf wichtige Funktionen erlauben. Da diese fast alle individuell mit Funktionen belegt werden können, ist es möglich, die Bedienung und so auch zumindest teilweise die Ergonomie persönlichen Gewohnheiten anzupassen. Soll das gelingen, kommt man allerdings nicht umhin, die umfangreiche, gut verständlich geschriebene Bedienungsanleitung zu studieren, die erfreulicherweise auch in gedruckter Form beiliegt.
Bei der Handhabung haben mich lediglich drei Aspekte gestört. Da war zum einen das aufgrund des ausgeprägten Griffwulstes auf der Rückseite schwer zugängliche hintere Einstellrad. Ich fotografiere entweder mit Zeitautomatik oder manuell und arbeite daher im Grunde permanent mit dem hinteren Einstellrad – entweder um die Zeit oder die Belichtungskorrektur einzustellen. Insbesondere letzteres ist, macht man dies über die Belichtungskorrekturtaste (vorne rechts neben dem Auslöser) in Kombination mit dem hinteren Einstellrad, ziemlich umständlich. Ebenfalls nicht vorteilhaft fand ich die Anordnung der Q-Taste auf dem hinteren Griffwulst. Die habe ich ziemlich oft versehentlich betätigt. Schließlich erschien mir die »Aufwachzeit« der Kamera nach dem Ruhezustand oder dem Einschalten etwas lang. Das ist in der Landschaftsfotografie meist nicht entscheidend, wer die Kamera aber beispielsweise für Reportagen einsetzt und dann auch mal schnell reagieren muss, könnte so manche interessante Situation verpassen. Abgesehen davon aber fand ich die Handhabung sowie die Anordnung der Bedienelemente praktisch. Sinnvoll ist – nicht zuletzt angesichts der Datenmengen – die Verfügbarkeit von zwei SD-Speicherkartenfächern, die beide UHS-II-kompatibel sind.
Ein ziemlicher Klotz und – zusammen mit dem Klappdisplay verantwortlich für den üppigen »Anbau« an der Kamerarückseite – ist der Akku. Der schafft laut Hersteller bis zu 400 Aufnahmen und das ließ sich in der Praxis – trotz intensiver Display-Nutzung und häufig sehr langen Belichtungszeiten – durchaus bestätigen. Mit einem zusätzlichen Akku kann man, zumal als Landschaftsfotograf, also locker einen intensiven Fototag bestreiten.
Das Menü entspricht weitgehend dem der aktuellen X-Modelle und ist klar und übersichtlich strukturiert. Abgesehen von der erwähnten, ungünstigen Positionierung der Q-Taste, ist das so erreichbare Schnell-Menü ein sehr direkter Weg, um Einstellungen wie Selbstauslöser, Weißabgleich, AF- und Filmsimulationsmodi oder Blitzfunktionen anzupassen. Alternativ oder ergänzend kann man häufig benötigte Funktionen auch in »Mein Menü« zusammenfassen und hat so schnell und ohne Umwege Zugriff auf die wichtigsten Einstelloptionen. Zusammen mit den insgesamt 10 individuell konfigurierbaren Knöpfen und Rädern sowie den sieben benutzerdefinierten Speicherbereichen, unter denen sich Einstellungen für spezifische Aufnahmesituationen ablegen lassen, ergibt sich eine eindrucksvolle Bandbreite an Möglichkeiten, die Kamera optimal eigenen Gewohnheiten anzupassen. 

Sucher und Display

Das 3,2-Zoll-Touchdisplay lässt sich dank zweier Scharniere sowohl horizontal als auch vertikal klappen. So kann man auch bei Hochformataufnahmen entspannt aufs Display schauen. Die hohe Auflösung (2,36 Mio. Bildpunkte) sorgt für ein scharfes und brillantes Bild. Dank der Touch-Funktionalität lässt sich die Kamera auch weitgehend allein über das Display steuern. Selbstverständlich kann man auch den Fokuspunkt direkt per Fingerzeig anwählen.
Der elektronische Sucher löst sogar rund 3,5 Mio. Bildpunkte auf. Er ist aufsteckbar, kann bei Bedarf also auch entfernt werden, was die Kamera insgesamt noch einmal kompakter erscheinen lässt. Als – mit rund 650 Euro recht teures – Zubehör ist ein Adapter (EVF-TL1) verfügbar, der es ermöglicht, den elektronischen Sucher wie einen Winkelsucher zu verwenden.
Die Anzeige im Sucher sowie auf dem Touchdisplay kann individuell konfiguriert werden. Interessant für Landschaftsfotografen fand ich die Möglichkeit, eine Schärfentiefenskala einzublenden. Die lässt sich je nach späterer Verwendung der Bilder (Druck- oder Monitorwiedergabe) anpassen. Da es aufgrund des großen Sensors oft besonders präziser Fokussierung bedarf, um die im Vergleich zum APS-C- oder Kleinbildformat bei gleicher Blende und gleichem Bildwinkel geringere Schärfentiefe optimal über das Bild zu »verteilen«, ist diese Option sehr hilfreich. 

Autofokus

Die GFX 50S ist mit einem Kontrast-AF ausgestattet. Der deckt mit 425 Messfeldern nahezu das gesamte Bild ab. Man kann einen einzelnen AF-Punkt, eine Zone (3x3 bis 7x7 Messpunkte) oder automatische Messfeldwahl (weit) einstellen. Die Größe des AF-Punktes bei der Einstellung »Einzelpunkt« kann angepasst werden. Neben der Möglichkeit, den zu fokussierenden Bereich über das Touchdisplay zu wählen, ist das auch komfortabel über den direkt neben dem Sucher angeordneten Joystick möglich. In der Standardeinstellung sind 117 Messpunkte anwählbar, das kann aber über das entsprechende Menü auf die gesamten 425 Messpunkte erweitert werden. In diesem Fall wird es allerdings etwas mühsam, mit dem Joystick den passenden Punkt anzusteuern. Wie üblich steht ein Einzelbild-AF (AF-S) und für sich bewegende Objekte ein kontinuierlicher AF (AF-C) zur Verfügung. Letzterer eignet sich allerdings nicht für schnell agierende Motive, wie etwa Vögel. Entsprechende Versuche scheiterten kläglich. Der AF-S hingegen arbeitet unter guten Lichtbedingungen zwar etwas träge, jedoch sehr präzise. Bei kontrastarmen Motiven aber, wie etwa nebligen Landschaften oder in der Dämmerung, kam es immer wieder vor, dass der AF den Dienst versagte. Da ich ohnehin meist manuell fokussierte, war das nicht gravierend. Wer jedoch den schnellen AF aktueller DSLRs oder Systemkameras schätzt, muss diesbezüglich Abstriche in Kauf nehmen. 
Beim manuellen Fokussieren kann man sich durch eine digitale Lupenfunktion unterstützen lassen. Praktisch ist dabei die Möglichkeit, auf dem Display groß das gesamte Bild und klein daneben den vergrößerten Ausschnitt anzeigen zu lassen. Ich verwende allerdings meist die Fokus-Peaking-Funktion, die bei Fujifilm etwas eigenwillig »Max. Glanzlicht Fokus« heißt. 

Bildqualität

Erwartungsgemäß liefert der Sensor in Verbindung mit den durchweg guten Objektiven enorm detailreiche Bilder mit einem großen Dynamikumfang. Auch sehr kontrastreiche Situationen, wie sie in der Landschaftsfotografie ja oft auftreten, lassen sich so mit der GFX 50S überzeugend einfangen. Man kann, etwa in Gegenlichtsituationen, ohne Weiteres vier bis fünf Stufen unterbelichten, um so die Zeichnung in den Lichtern zu halten. Beim dann in der Nachbearbeitung erforderlichen Aufhellen dunkler Bildbereiche nimmt das Rauschen nur wenig zu. Farbtöne und -verläufe werden präzise und äußerst differenziert wiedergegeben. Zwar bevorzugt man in der Landschaftsfotografie in der Regel niedrige ISO-Werte zwischen ISO 100 und 400, allerdings wird man sich auch bei ISO 1.600 oder 3.200 in vielen Motiven schwertun, Rauschen zu entdecken. Richtig auffällig wird es ab ISO 6.400 und bei ISO 12.800 schließlich wird auch eine Farbverschiebung gegenüber Aufnahmen mit niedrigerer Empfindlichkeit deutlich. 
Angesichts der hohen Auflösung aber bieten selbst Aufnahmen, die bei dieser Empfindlichkeit entstehen, noch genügend Spielraum, um sie für sehr viele Verwendungen aufzubereiten. 

Ist größer besser?

Naturfotografische Allrounder, die sowohl Tiere in Aktion, als auch Makros und Landschaften fotografieren, werden allein mit der GFX 50S nicht glücklich. Dazu ist der AF in vielen Situationen zu träge und auch die maximale Serienbildrate von 3/sec reicht nicht für hohe Trefferquoten in der Actionfotografie. Zudem fehlen im System dafür auch die ganz langen Brennweiten. Makrofotografie hingegen geht schon besser, wenngleich es zu berücksichtigen gilt, dass aufgrund des großen Sensors auch entsprechend große Abbildungsmaßstäbe erforderlich sind, um kleine Motive formatfüllend abzubilden. Das 4/120 mm-Makroobjektiv eignet sich mit seinem maximalen Abbildungsmaßstab von 1:2 allenfalls für größere Details, große Insekten oder Reptilien. Allerdings kann man dank des günstigen Auflagemaßes eine Vielzahl älterer Objektive an der GFX 50S verwenden und sich so – beispielsweise mittels Balgengerät – auch große Abbildungsmaßstäbe erschließen. 
Optimal hingegen eignet sich die Kamera für Landschaftsfotografen, die höchste Ansprüche an die Bildqualität haben, ihre Bilder beispielsweise in großen Formaten auf Ausstellungen präsentieren oder besonders großformatige Kalender oder Bildbände illustrieren. Nur bei solchen Verwendungen wird man letztendlich den Unterschied zu aktuellen Kleinbildkameras erkennen können. 
Mit einem System bestehend aus einem Gehäuse, dem 4/23 mm, dem 4/32-64 mm und dem 4/120 mm Makro lassen sich die meisten Anforderungen in der Landschaftsfotografie abdecken und das alles passt noch gut in einen kleinen Rucksack.
Soweit die rationalen Erwägungen. Die spielen bei Entscheidungen für oder gegen ein Kamerasystem aber nicht immer die Hauptrolle. Für Fotografen ebenso wichtig ist der emotionale Aspekt. Schließlich sind Kameras Werkzeuge, die kreative Prozesse begleiten. Eine Kamera, die sich gut anfühlt, mit der die Arbeit Spaß macht und die sich zudem mit hervorragenden Objektiven ausstatten lässt, hilft der Kreativität oft auf die Sprünge. Auch in dieser Hinsicht ist die Fujifilm GFX 50S – abgesehen von der hohen technischen Abbildungsqualität – zweifellos eine äußerst attraktive Kamera. 

Hans-Peter Schaub
www.hanspeterschaub.de

Fujifilm GFX 50S
Bildsensor: CMOS (43,8 x 32,9 mm), 8.256 x 6.192 Pixel, Auflösung (effektiv): 51,4 Mio. Pixel, Beschnitt­faktor (bezogen auf KB): 0,8
ISO: 100 – 12.800 (erweiterbar auf 50 – 102.400)
Dateiformate (Bild): Raw (14 Bit), JPEG, TIFF (über Kamera-interne Raw-Konvertierung)
Dateiformate (Video): MOV (AVCHD H.264), Full HD (1.920 x 1.080), 24p, 25p, 30p 
LC-Display: 3,2 Zoll-LC-Touchdisplay, 2,36 Mio. Bildpunkte, schwenkbar
Sucher (abnehmbar): OLED, 3,69 Mio. Bild­punkte, 0,85fache Vergrößerung
Serienbilder: maximal 3 Bilder/sec, 6 bis 8 Raws in Folge (bei vollem Puffer etwa 1,5 sec/Bild)
Weitere Merkmale: WLAN, NFC, Bluetooth, Abdichtungen gegen Staub und Spritzwasser, Kontrast-AF mit 425 Messfeldern, Fernauslöser 2,5 mm-Klinke, Mikrofon- und Kopfhörer-Anschluss (3,5 mm), USB 3, HDMI, mit elektronischem Verschluss bis zu 1/16.000 sec (mechanisch: 1/4.000 sec), diverse Filmsimulationsmodi, Zeitraffer-Funktion, Mehrfachbelichtungen
Speichermedien: SD-/SDHC/SDXC (2 Fächer, beide UHS-II-kompatibel)
Abmessungen: ca. 95 (H) x 148 (B) x 92 mm (T)
Gewicht (betriebsbereit mit Akku und SD-Karten): ca. 825 Gramm (ohne Sucher), ca. 920 Gramm (mit Sucher) 
Straßenpreis: ca. 7.000 € 

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