Während nun selbst Micro FourThirds-Mitstreiter Panasonic dem Trend zum »Vollformat« gefolgt ist, bleibt Olympus als einziger der großen Hersteller dem kleinen FourThirds-Format treu. Und die OM-D E-M1X ist ein deutliches Zeichen, dass man – trotz vergleichsweise kleinem Sensor – in diesem System auch das Potenzial sieht, professionelle Ansprüche zufriedenzustellen. Insbesondere Tier- und Sportfotografen, die neben hoher AF-Geschwindigkeit und -Genauigkeit, flotte Bildraten, einen großen Pufferspeicher und ein insgesamt robustes Kamerasystem benötigen, dürften angesichts der technischen Daten des neuen Olympus-Spitzenmodells aufgehorcht haben. Mit bis zu 18 Bilder/sec mit kontinuierlichem AF lässt die Kamera selbst die klassischen Profimodelle wie Nikons D5 oder Canons EOS-1DX Mark II alt aussehen. Eine umfangreiche Ausstattung mit ungewöhnlichen Zusatzfunktion wie dem virtuellen ND-Filter und der Option für extrem hochaufgelöste Bilder mit bis zu 80 MP sind weitere gute Argumente, die einen genaueren Blick auf diese Kamera und das mittlerweile sehr umfangreiche MFT-System rechtfertigen. Ich hatte die Gelegenheit, die Kamera nun über einen Zeitraum von rund fünf Wochen in höchst unterschiedlichen Situationen auszuprobieren. Sowohl Landschaftsfotografie als auch Makro- sowie actionreiche Tierfotografie standen in dem Zeitraum auf dem Programm.
Gewicht ist relativ
m Vergleich zu den bisher verfügbaren MFT-Gehäusen, sowohl von Olympus als auch Panasonic, ist die OM-D E-M1X auf den ersten Blick in der Tat ein ziemlicher Klotz. Das relativiert sich freilich, vergleicht man sie mit den aktuellen Topmodellen beider Hersteller, die man mit den erhältlichen Batteriehandgriffen ausgestattet hat. Mit ihrem Gewicht von knapp 1.000 Gramm ist sie lediglich 100 Gramm schwerer als eine EOS 5D Mk IV ohne Batteriegriff, aber immerhin 530 Gramm leichter als eine EOS-1DX Mk II. Tatsächlich fühlt sich die E-M1X, hat man sie erst mal in der Hand, zwar sehr solide, aber nicht extrem schwer an. Außerdem gilt es ja dabei auch zu bedenken, dass die Kamera nur einen Teil der Masse ausmacht, denn um zu fotografieren, bedarf es schließlich auch eines Objektivs. In dieser Hinsicht aber spielt MFT einen bedeutenden Vorteil des kleinen Sensors aus. Die MFT-Objektive sind durchweg erheblich kompakter als ihre Kleinbild-Äquivalente. So hatte ich für den Test das ED 7-14 F2,8 Pro (534 Gramm), das ED 60 mm F2,8 Macro (185 Gramm), das ED 12-100 mm F4,0 IS Pro (561 Gramm), das ED 40-150 mm F2,8 Pro (760 Gramm) sowie den neuen 2fach-Konverter MC-20 (148 Gramm) zur Verfügung. Zusammen mit der Kamera summiert sich das auf ein Gesamtgewicht von exakt 3.185 Gramm und mit den recht lichtstarken Objektiven (f/2,8 bzw. f/4) konnte ich einen kleinbildäquivalenten Brennweitenbereich von 14 bis 600 mm abdecken – mehr wird man selbst für anspruchsvolle Aufgaben kaum benötigen. Insbesondere Fotografen, die entweder häufig Wandertouren oder Flugreisen unternehmen, werden mit solch einer Ausrüstung vermutlich deutlich entspannter unterwegs sein als mit einem vergleichbaren Vollformatsystem.
In der Hand
Wem die bisherigen MFT-Gehäuse zu zierlich waren, der wird sich über die großzügigen Dimensionen der OM-D E-M1X freuen. Alle Bedienelemente sind gut erreichbar, nicht zu klein und so auch mit Handschuhen problemlos zu verstellen. Durch den von vornherein fest integrierten Batteriegriff muss man beim Einsatz im Hochformat keinerlei Kompromisse machen. Alle wichtigen Schalter und Knöpfe sind doppelt ausgelegt und so angeordnet, dass man beim Schwenken der Kamera nicht darüber nachdenken muss, wo nun welche Taste liegt. Die Finger finden sie weitgehend intuitiv. Wie auch schon bei den anderen OM-D-Kameras sind nahezu alle Knöpfe und Tasten konfigurierbar und nach eigenen Vorlieben mit den für sinnvoll erachteten Funktionen zu belegen. Dabei kann man auch die eigentlich der jeweils selben Funktion zugeordneten Bedienelemente in Quer- und Hochformatausrichtung unterschiedlich programmieren. Um das Individualisierungspotenzial auszuschöpfen, bedarf es allerdings der intensiven Auseinandersetzung mit der Bedienungsanleitung. Die ist stolze 688 Seiten dick und liegt – erfreulicherweise – als »echtes« Handbuch der Kamera bei. So kann man auch draußen, ohne Laptop oder Tablet, immer mal wieder »analog« nachschlagen, wenn man die Funktionsvielfalt der E-M1X ausreizen möchte. Insgesamt ist die Bedienung trotz der großen Komplexität der Kamera im Vergleich zu anderen Olympus-Modellen einfacher und geradliniger. Über die Tasten sowie über die Monitor-Funktionsanzeige lassen sich im Grunde alle wichtigen Funktionen sehr direkt ansteuern. Sehr praktisch ist zudem die My Menü-Option, wo sich häufig benötigte Menüeinstellungen registrieren und dann schnell aufrufen lassen. Die ersten Ausflüge habe ich bewusst ohne Bedienungsanleitung gemacht und bin dabei lediglich beim Aufrufen des Live-ND-Filters gescheitert. Der steht nämlich nur in Blendenautomatik (S) bzw. bei manueller Einstellung zur Verfügung. Da wäre dann ein kurzer Hilfe-Kommentar im Menü sinnvoll und hilfreich wie z.B. »Diese Funktion ist nur in den Modi S oder M verfügbar«.
Die Kamera ist als eine von wenigen Systemkameras nach dem IPX1-Standard-zertifiziert, was die Dichtigkeit bei senkrecht fallenden Tropfen über einen bestimmten Zeitraum garantiert. Was erstmal nicht so spektakulär klingt, bedeutet aber in der Praxis, dass die E-M1X auch sehr widrigen Witterungsbedingungen standhalten wird – selbst wenn die Regentropfen nicht senkrecht aufs Gehäuse prallen. Im Test hielten sowohl die Kamera als auch die Objektive mehreren heftigen Regengüssen problemlos stand. Das Problem besteht dabei dann vor allem darin, die Frontlinse frei von Wassertropfen zu halten.
Sucher und Display
Das 3-Zoll-Touchdisplay ist dreh- und schwenkbar. Es liefert ein scharfes und brillantes Bild und lässt sich auch in heller Umgebung noch gut ablesen. Alternativ zum 8-Wege-Jostick kann man es bei Verwendung des optischen Suchers auch als Touchpad zur direkten Anwahl des AF-Bereichs nutzen. Das funktioniert zwar, war mir aber bei sich schnell bewegenden Motiven zu träge. Zudem ist es nicht möglich, die Touchpad-Funktion auf einen Teil des Displays zu beschränken, was die Bedienung sicher etwas beschleunigen würde.
Der LCD-Sucher bricht mit seinen 2,36 Mio. Bildpunkten zwar keinen Auflösungsrekord und OLED-Sucher sind sicher brillanter und kontrastreicher, dafür liefert er ein sehr großes Bild und reagiert praktisch verzögerungsfrei. Auch bei schnellen Bildserien und bei der Verfolgung von Motiven bleibt das Bild zuverlässig erkennbar. Einzig, wenn man die Pro Capture-Funktion nutzt, bei der die Kamera bei halb gedrücktem Auslöser permanent Bilder aufnimmt, aber erst beim Durchdrücken des Auslösers auch auf der SD-Karte speichert, geht die Bildwiederholrate in den Keller und es fällt zuweilen schwer, sich schnell bewegende Motive im Blick zu halten. Sowohl die Informationen auf dem Display als auch im Sucher können selbstverständlich in hohem Maße an individuelle Bedürfnisse angepasst werden.
Autofokus
Wer Tiere in Aktion oder auch Sport fotografiert, möchte eine Kamera mit schnellem und genauem Autofokus, gepaart mit einer möglichst hohen Serienbildrate. Die OM-D E-M1X wird diesbezüglichen Ansprüchen in vieler Hinsicht gerecht. Nutzt man den mechanischen Verschluss, kann man bis zu einer Frequenz von maximal 10 Bildern/sec den kontinuierlichen AF nutzen. Verwendet man den absolut geräuschlosen elektronischen Verschluss, ist das mit bis zu 18 Bildern/sec möglich. Bei höheren Bildfrequenzen (15 Bilder/sec mechanischer Verschluss bzw. 60 Bilder/sec elektronischer Verschluss) wird nur beim ersten Bild fokussiert, was die Verwendung in der Actionfotografie sicher entscheidend einschränkt. Die Serienbildraten bei den unterschiedlichen Verschlussoptionen kann man im Menü anpassen.
Die 121 AF-Messpunkte decken den größten Teil des Bildausschnitts ab, weshalb man das Bild direkt bei der Aufnahme schon sehr frei gestalten kann. Die Größe der Messpunkte kann so angepasst werden, dass der AF auch kleine Details erfassen kann. Zudem können einzelne Punkte zu unterschiedlich großen Gruppen zusammengefasst werden. Mittels dem 8-Wege-Joystick, der sowohl fürs Quer- als auch fürs Hochformat vorhanden ist, lassen sich die Messfelder sehr schnell an den gewünschten Ort bewegen. Schon in der Basiseinstellung des kontinuierlichen AF reagierte der recht flott. Bei sich sehr schnell bewegenden Motiven wie fliegenden Kleinvögeln ist es aber sinnvoll, die Empfindlichkeit auf den maximal möglichen Wert von +2 einzustellen, um die Trefferquoten zu erhöhen. Es steht auch eine Tracking-Funktion zur Verfügung, die in vielen Fällen recht gute Resultate liefert. Insbesondere größere Vögel wie Gänse oder bei Sportaufnahmen von Surfern und Kitern ließen sich so zuverlässig fokussieren. Auch bei Videos funktionierte bei diesen Motiven das Tracking sehr zuverlässig. Die festeingestellten Tracking-Modi für Motorsport, Züge oder Flugzeuge sind für Naturfotografen leider nicht so spannend, aber man darf davon ausgehen, dass hier in Zukunft weitere Optionen folgen, die dann via Firmware-Update ergänzt werden können. Insgesamt lieferte der AF auch bei kleinen, schnellen Motiven hohe Trefferquoten und dürfte so auch anspruchsvolle Tierfotografen zufriedenstellen.
Bildqualität
Der Sensor der OM-D E-M1X bietet eine Auflösung von 20,4 Megapixeln und dürfte weitgehend dem entsprechen, der auch in der OM-D E-M1 Mark II Verwendung findet (siehe dazu den Test in NaturFoto 10-2017 ab Seite 76 sowie online unter www.naturfoto-magazin.de). Er liefert – auch aufgrund des Verzichts auf den Tiefpass-Filter – detailreiche und auch bei höheren ISO-Einstellungen rauscharme Bilder. Hinsichtlich des Dynamikumfangs erreicht er nicht ganz das Niveau deutlich größerer Vollformatsensoren. Insbesondere in den hellen Bereichen kommt es oft zum Verlust von Details. Man kann dem ganz gut begegnen, indem man die Aufnahmen in kritischen Situationen, wie beispielsweise fließendem Wasser, um ein bis drei Lichtwerte unterbelichtet und die Bilder dann in der Nachbearbeitung entsprechend aufhellt. Das funktioniert ganz gut, ohne dass dadurch das Rauschen merklich zunimmt. Trotz der geringen Größe liefert der Sensor erstaunlich rauscharme Bilder. Bei vielen Motiven bleibt das Rauschen bis ISO 3.200 weitgehend unauffällig. Lediglich das Farbrauschen wird in unkorrigierten Bildern dezent sichtbar, das aber lässt sich ohne nennenswerte Auswirkungen auf die Bildqualität problemlos beseitigen. Diesbezüglich kritische Motive können Wolken sein. In den oft sanften Verläufen dieser Motive wird schon ab ISO 400 bis 800 feines Helligkeitsrauschen sichtbar. Das allerdings kann man auch bei größeren Sensoren oft beobachten. Jenseits von ISO 6.400 sorgt das zunehmende Helligkeitsrauschen für leichte Detailverluste und das dann deutlich in Erscheinung tretende Farbrauschen nach dessen Korrektur für geringer gesättigte, etwas ausgewaschene Farben. Aber selbst beim Maximalwert von ISO 25.600 ergeben sich noch brauchbare Resultate mit sehr homogen verteiltem, relativ feinkörnigem Rauschen. Schließlich wird man diese hohe Empfindlichkeit nur unter extremen Lichtbedingungen einsetzen.
Besondere Funktionen
Die OM-D E-M1X kann mehr als viele andere Kameras. Insbesondere für Landschaftsfotografen interessant sind die Funktionen »Hochaufgelöste Aufnahme« sowie »Live ND«. Die Option, hochaufgelöste Aufnahmen zu erstellen, bot schon die OM-D E-M1 – allerdings ging das nur vom Stativ. Die E-M1X macht das nun auch aus der Hand möglich. Wählt man diese Option, so erstellt die Kamera in schneller Folge 16 Einzelbilder. Dabei wird die unvermeidliche Bewegung der Kamera in der Hand des Fotografen genutzt und so entstehen Bilder mit jeweils minimaler Verschiebung. Die werden dann in der Kamera zu einer 50 Megapixel-Raw-Datei verrechnet. Das funktioniert erstaunlich gut, auch mit relativ langen Belichtungszeiten. Ich habe es mit bis zu 1/15 sec erfolgreich ausprobiert. Reichen 50 MP noch nicht aus, wählt man die Stativoption. Dann erstellt die Kamera 8 Bilder mit jeweils dank Sensor-Shift minimal verschobenem Sensor und errechnet daraus eine 80 MP-Raw-Datei. Auch das funktioniert tadellos, solange sich im Motiv nichts stark bewegt. Grashalme oder Äste können, vom Wind bewegt, dann schon mal zu unschönen Artefakten führen. Fließendes Wasser hingegen ist unproblematisch. Angenehmer Zusatznutzen – neben der beachtlich hohen Auflösung – ist ein durch die Überlagerung mehrerer Bilder stark reduziertes Rauschen und ein erheblich erweiterter Dynamikumfang. Der übertrifft dann sogar das, was man von Vollformat-Sensoren gewohnt ist.
Die zweite spannende Funktion ist der Live ND-Filter. Der steht in fünf Abstufungen (2- bis 32-fache Verlängerung der Belichtungszeit) zur Verfügung. Den verblüffenden Effekt kann man sich in Echtzeit auf dem Display anschauen. Tatsächlich nimmt die Kamera in schneller Folge mehrere Bilder auf und verrechnet die dann zu einer scheinbaren Langzeitbelichtung. Bei fließendem Wasser in Bächen oder an Wasserfällen konnte ich auch bei kritischer Betrachtung keinen Unterschied zur Verwendung eines »echten« Filters feststellen. Etwas anders sah das aus bei einer von der untergehenden Sonne beschienenen Meeresoberfläche. Hier überlagerten sich die Einzelbilder nicht immer homogen und es entsteht der Eindruck mehrere Ebenen von Lichtreflexen auf den Wellen. Ich empfand das allerdings meist als sehr reizvoll und sehe darin eine interessante Option, solche Lichtsituationen anders als gewohnt aufzunehmen. Spannend ist auf alle Fälle, dass man dank dieser Funktion alle Objektive, selbst extreme Weitwinkel oder Fisheyes, mit einem ND-Filter verwenden kann. Zudem ist so auch die Kombination mit weiteren Filtern wie Pol- oder Grauverlaufsfilter unkompliziert. Da aufgrund des kleinen Sensors bereits ab f/8, spätestens aber f/11, Beugungsunschärfen auftreten, kann man Objektive – zumindest bei statischen Motiven – eigentlich immer bei optimaler Blende einsetzen.
Fazit
Die OM-D E-M1X ist allein schon aufgrund des Preises von knapp 3.000 € keine Kamera für den Massenmarkt. Olympus zeigt mit dieser Kamera aber überzeugend, welches Potenzial im MFT-System steckt und dass Vollformat auch für anspruchsvolle Fotografen nicht zwingend »alternativlos« ist. In der E-M1X stecken viele intelligente Lösungen für den fotografischen Alltag und der schiere Umfang der Funktionen wird wohl von kaum einem Fotografen jemals komplett ausgenutzt werden. Man kann sich gleichwohl sicher sein, dass die Kamera für nahezu jede sich stellende Aufgabe eine Lösung bietet. Selbstverständlich gibt es systembedingte Unterschiede zu Kameras mit größeren Sensoren. Da ist die bei gleichem Bildausschnitt und gleicher Blende größere Schärfentiefe zu nennen, was sich bei Verwendung lichtstarker Objektive aber in der Praxis deutlich weniger stark auswirkt als theoretisch zu erwarten wäre. Sicher mag für manche auch das Rauschverhalten jenseits von ISO 3.200 relevant sein, wo größere Sensoren Vorteile bieten. Andererseits ist die insgesamt enorme Kompaktheit des Systems ein wichtiges Argument für viele Fotografen. Alles in allem ist die OM-D E-M1X eine gerade für Naturfotografen höchst interessante Kamera und mittlerweile auch Teil eines enorm umfangreichen und leistungsfähigen Systems.
Hans-Peter Schaub
www.hanspeterschaub.de