Die meisten Makrofotografen nehmen ihre kleinen Motive mit leichten bis mittleren Teleobjektiven auf. Die Brennweiten der üblichen Makros liegen entsprechend zwischen 70 und 200 mm. Das erscheint insbesondere bei der Aufnahme kleiner Tiere sinnvoll, denn durch den sich aus der langen Brennweite ergebenden Abstand zum Motiv wird die Gefahr geringer, Insekten, Spinnen oder Reptilien schon vor der Aufnahme zu verscheuchen. Nun sind aber zum einen nicht alle Makromotive leicht flüchtig und zum anderen ergeben sich durch die Beschränkung auf Telemakros gestalterische Einschränkungen. Der besondere Look, der sich durch Weitwinkelobjektive erzeugen lässt, kann auch in der Makrofotografie für interessante und ungewöhnliche Bilder sorgen. Früher habe ich dazu Weitwinkelobjektive mit einem dünnen Zwischenring kombiniert, und als Venus Optics vor einigen Jahren das Laowa 4/15 mm Makro vorstellte, war ich entsprechend erfreut (siehe NaturFoto 12-2015 oder online: https://bit.ly/ 31Z0DA4). Venus Optics hat seither eine Reihe weiterer Makroobjektive vorgestellt, darunter eben auch das 24 mm f/14 2X Macro Probe, um das es in diesem Beitrag geht. Schon rein äußerlich hat das Gerät wenig mit herkömmlichen Makroobjektiven gemein. Und schon gar nicht würde man beim Anblick des dünnen Rohrs mit angeflanschtem Kamerabajonett ein Weitwinkelobjektiv vermuten. Mit einem Bildwinkel von rund 85 Grad (Kleinbild) ist es aber genau das und zudem gestattet es, Motive aus einem Abstand von etwa 2 Zentimetern im Abbildungsmaßstab von 2:1 abzubilden. Wasserdicht ist es auch, was ohne Zubehör Unterwasser-Makroaufnahmen gestattet – ohne dass der Fotograf dabei selbst untertauchen muss. Das »Probe« scheint also ein vielversprechendes Werkzeug für Fotografen zu sein, die ungewöhnliche Bildideen umsetzen möchten.
In der Hand
Das aus Glas und Metall gefertigte Objektiv ist sauber verarbeitet, macht einen sehr robusten Eindruck und ist trotz der stattlichen Länge von rund 40 cm mit 474 Gramm doch relativ leicht. Geliefert wird es in einem stabilen Alukoffer zusammen mit zwei USB-Kabeln (eines davon dimmbar) die die Verbindung zur Stromversorgung erlauben (z.B. Powerbank). Strom ist erforderlich, um die rund um die Frontlinse montierte LED-Ringleuchte zu betreiben. Aufgrund der mit f/14 ziemlich kleinen maximalen Blendenöffnung ist Licht bei Aufnahmen mit dem Probe üblicherweise Mangelware und so ist man zumindest bei beweglichen Motiven häufig auf die integrierte Kunstlichtquelle angewiesen. Selbstverständlich ist grundsätzlich auch die Verwendung eines Blitzgerätes möglich. Aufgrund des oft sehr geringen Abstands zwischen Motiv und Frontlinse und dem gleichzeitig großen Abstand zwischen Kamera und Motiv ist das aber zuweilen in der Praxis schwierig umzusetzen. Der Fokussierring läuft spielfrei. Eine Drehung von etwa 180 Grad erlaubt das Fokussieren von der Naheinstellgrenze bis unendlich. Beim Fokussieren werden Linsengruppen im Innern des Objektivs verschoben, so dass dessen Länge konstant bleibt. Das Probe ist im vorderen Bereich (rund 20 cm) wasserdicht, kann also problemlos ins Wasser getaucht werden.
Bildqualität
Trotz der kleinen Blendenöffnung liefert das Objektiv bei offener Blende scharfe Bilder, die allerdings hinsichtlich der Auflösung nicht das Niveau herkömmlicher Makroobjektive erreichen. Im Bereich zwischen f/14 und f/22 sind die Auswirkungen der Beugungsunschärfe bereits erkennbar. Schließt man die Blende weiter, nimmt die Schärfe weiter ab, weshalb es ratsam ist, starkes Abblenden zu vermeiden. Recht deutlich ist die Vignettierung. Bei offener Blende verläuft sie allerdings sanft vom Zentrum zu den Bildrändern und ist daher in der Praxis nicht störend. Schon bei f/22 nimmt sie merklich ab, ist dafür aber dann als schärfer begrenzte Abdunklung in den Ecken zu erkennen. Grundsätzlich aber ist die Vignettierung in der Nachbearbeitung leicht zu korrigieren. Das gilt auch für die chromatische Aberration, die allerdings ohnehin extrem gering ausfällt. Die leichte tonnenförmige Verzeichnung ist bei Makromotiven in der Regel nicht relevant.
Aufnahmepraxis
Er ist schon etwas sperrig, dieser »Makro-Rüssel«. Hat man sich daran aber gewöhnt, fallen einem dauernd neue Dinge ein, die sich mit herkömmlichen Objektiven nicht ohne Weiteres fotografieren lassen. So könnte ich zwar auch mit meinem 4/15 mm Weitwinkelmakro ähnliche oder sogar noch extremere Perspektiven nutzen, allein dessen große Frontlinse macht es aber oft unmöglich, sich den kleinen Motiven entsprechend zu nähern. Da ist man mit dem dünnen Objektivrohr um ein Vielfaches flexibler. Zudem kann man sich sensiblen Kleintieren wie Spinnen oder Insekten mit dem Probe problemlos bis an die Naheinstellgrenze (2 cm) nähern, ohne sie in die Flucht zu schlagen. Natürlich ist die bauartbedingt geringe Lichtstärke in vielen Fällen problematisch. Man kommt daher nicht umhin, sich mit hohen ISO-Werten abzufinden, auch bei Verwendung der LED. Angesichts der leistungsfähigen Sensoren aktueller Kameras ist das allerdings kein größeres Problem und schließlich wird man durch vielfältige neue Bildoptionen belohnt.
Fazit
Wer Makrofotografie mal anders als gewohnt angehen und sich neue Motivwelten erschließen möchte, sollte das 24 mm f/14 2x Macro Probe in Erwägung ziehen. Das Objektiv ist sicher kein Schnäppchen und ersetzt bestimmt kein »normales« Makro, dafür ermöglicht es eben auch eine Fülle von Aufnahmen, die mit herkömmlichen Objektiven bislang unmöglich und undenkbar waren.
Hans-Peter Schaub
www.hanspeterschaub.de