Für die ganz kleinen Dinge


Das ZY Optics Mitakon 20 mm f/2 4,5x Super Macro in der Praxis

Für „normale“ Makroobjektive ist in der Regel bei einem Abbildungsmaßstab von 1:1 Schluss. Will man kleine Dinge noch größer ins Bild setzen, kommen Umkehrringe, Balgengeräte oder Lupenobjektive in Frage. Das Angebot an letzteren war einst groß. Zeiss-Luminare oder Photare von Leica gab es in verschiedenen Ausführungen. Derzeit ist das Angebot – abgesehen vom Gebrauchtmarkt und dem teuren Canon MP-E 65 mm – übersichtlich. Mit dem Mitakon 20 mm f/2 gibt es nun wieder ein erschwingliches Lupenobjektiv, das für praktisch alle Kamera­anschlüsse verfügbar ist: Hans-Peter Schaub hat’s ausprobiert.

Bei Lupenobjektiven handelt es sich um optische Konstruktionen, die Objektiven entsprechen, die in Retro-Stellung – also umgekehrt – vor die Kamera gesetzt werden. Aus diesem Grunde ist das Mitakon 2/20 mm trotz kurzer Brennweite auch kein Weitwinkelobjektiv. Klassische Lupenobjektive wie Zeiss-Luminare und Leica-Photare verfügen über einen Gewindeanschluss (RMS-Gewinde W0,8’’ x 1/36’’). Um sie an Fotokameras zu verwenden, bedarf es eines entsprechenden Adapters. Eine Einstellschnecke zur Fokussierung fehlt diesen Spezialoptiken, weshalb sie üblicherweise in Kombination mit Balgengeräten verwendet werden. Beim Mitakon-Supermakro hingegen wurde die Optik eines Lupenobjektivs in ein mit Bajonett, Irisblende und Drehtubus ausgestattetes Metallgehäuse gebaut. Anders als bei herkömmlichen Objektiven wird hier durch Drehen des Tubus allerdings nicht fokussiert, sondern der Abbildungsmaßstab verändert. Dieser bewegt sich zwischen 4:1 und 4,5:1. Fokussiert wird durch die Positionsveränderung der gesamten Aufnahmeeinheit – in der Praxis also durch Körperbewegung  oder, was deutlich praktischer ist, durch einen Einstellschlitten.
Interessant ist die Blende, die aus nur drei Lamellen aufgebaut ist und entsprechend eine dreieckige Blendenöffnung liefert. Das wirkt sich normalerweise nicht sichtbar aus. Kommt es aber – etwa bei Gegenlichtaufnahmen – zu Lichtreflexen, so werden diese als Dreiecke abgebildet, was etwas ungewöhnlich aussehen kann.
Da keinerlei Kommunikation zwischen dem rein manuellen Objektiv und der Kamera erfolgt, kann der chinesische Hersteller Zy Optics (www.zyoptics.net) das Objektiv problemlos mit Anschlüssen für praktisch alle aktuellen Kamerasysteme anbieten.

In der Hand

Das ungewöhnliche Objektiv ist mechanisch solide und sauber verarbeitet. Der Tubus dreht sich etwas schwergängig, was in dem Fall aber wünschenswert ist, um angesichts der winzigen Motive die Gefahr eines versehentlichen Verstellens zu minimieren. Der kleine rote Punkt, der anzeigt, wie das Objektiv auf das Kamerabajonett aufgesetzt werden muss, befindet sich direkt auf der Bajonettseite und ist nur schwer zu sehen, zumal bei ungünstigen Lichtbedingungen.

Praxis

Der stufenlos drehbare Blendenring befindet sich ganz vorne am Objektivtubus. Aufgrund des geringen Abstands zum Motiv von weniger als zwei Zentimetern bedarf es großer Vorsicht, möchte man die Blende verstellen, nachdem das Motiv bereits fokussiert wurde. Besser ist es daher, diese schon vorab zu wählen. Ein Verändern des Abbildungsmaßstabes verändert den Aufnahmeabstand nicht. Allerdings fährt das Objektiv um etwa 0,6 mm aus, was es dann erforderlich macht, die Aufnahmeeinheit um diese Distanz nach vorne oder hinten zu verschieben. Draußen im Freien gestaltet sich das Fotografieren mit dem Mitakon-Supermacro recht schwierig. Die Schärfentiefe beträgt bei f/5,6 nur etwa 0,1 Millimeter und lässt sich durch Abblenden auf f/11 lediglich auf rund 0,2 mm erweitern. Weiter abzublenden ist aufgrund der dann deutlich erkennbaren Beugungsunschärfe nicht sinnvoll. Richtet man die auf einem Einstellschlitten montierte Kamera dann vor einem Motiv ein, stellt man schnell fest, dass auch bei vermeintlicher Windstille kaum ein Motiv wirklich ausreichend still hält, um ohne Blitz- oder starkem LED-Licht scharf abgebildet zu werden. Die Anordnung künstlicher Lichtquellen wiederum ist aufgrund der geringen Distanz zwischen Motiv und Frontlinse stark eingeschränkt. Besser geht das alles natürlich, wenn man sich sein Ministudio auf dem Schreib- oder Küchentisch aufbaut. Dann kann man in Ruhe in die kleine Welt einer einzelnen Blüte eintauchen oder Blätter, Steine und tot aufgefundene Insekten erforschen. 

Bildqualität

Das Mitakon-Makro liefert insgesamt im Bereich zwischen f/5,6 bis f/8 die beste Abbildungsleistung. Beim maximalen Abbildungsmaßstab von 4,5:1 erreicht die Unschärfe durch Beugungseffekte bereits ein Ausmaß, das sich durch stärkeres Scharfzeichnen in der Nachbearbeitung nicht mehr kompensieren lässt. Bei größeren Blendenöffnungen als f/5,6 ist ein deutlicher Abfall der Schärfe zu den Rändern zu beobachten. Das ist nicht bei allen Motiven relevant und so kann man durchaus auch mit Blenden von f/2,8 bis f/4 gute Resultate erzielen. Die offene Blende (f/2) liefert allerdings recht weiche Bilder. Der Unterschied zu f/2,8 hinsichtlich Schärfe und Brillanz ist erheblich. Typische Abbildungsfehler wie Verzeichnung, chromatische Aberration und auch Vignettierung fallen so gering aus, dass sie in der Praxis keine Rolle spielen.

Fazit

Wer gerne in Abbildungsmaßstäbe jenseits von 1:1  vordringen möchte, dem bietet sich mit dem Mitakon Super Macro für rund 200 US$ eine erschwingliche und hinsichtlich der Abbildungsleistung überzeugende Option. Der geringe Aufnahmeabstand macht das Fotografieren im Freiland, insbesondere von Insekten und ähnlichen Kleintieren aber sehr schwierig. Alternativ erreicht man beispielsweise mit einem mittels Retro-Adapter angesetzten Weitwinkelobjektiv oder einem 18-55 mm-Standardzoom ähnliche Abbildungsmaßstäbe bei größerem Aufnahmeabstand zum Motiv und nur wenig schlechterer Abbildungsqualität. Insofern will auch eine solche Anschaffung überlegt sein.

Hans-Peter Schaub 
www.hanspeterschaub.de

Besser mit Einstellschlitten und Stativ 
Freihändiges Arbeiten ist mit  dem Mitakon-Lupenobjektiv  zwar möglich, aber nicht einfach.  Ein solider Einstellschlitten ist  für das Fotografieren in diesen großen Abbildungsmaßstäben  eigentlich unverzichtbar. So kann man sich den winzigen Motiven präzise nähern. Man stellt den gewünschten Abbildungsmaßstab ein und fokussiert dann durch Bewegen der Kamera auf dem Schlitten.

Mitakon 20 mm f/2 4,5x Super Macro
Aufbau: 6 Elemente/4 Gruppen
Blendenbereich: 2 – 16  
Anzahl Blendenlamellen: 3
Min. Abstand (ab Frontlinse):  ca. 1,8 cm
Max. Abbildungsmaßstab: ca. 4,5:1
Filtergewinde:
Fokussierung: MF
Weitere Merkmale: Metalltubus,
Blendenring, rein manuelles Objektiv ohne jegliche elektronische Verbindung zur Kamera
Anschlüsse: Canon EF, Canon EOS-M, Nikon F, Sony E, Sony A, Pentax K,
Fujifilm X, Micro FourThirds
Abmessungen (mm):
ca. 62 (D) x 60 (L)
Gewicht: rund 230 Gramm
Straßenpreis: ca. 200 US$