Telezoom im Härtetest


Das Tamron SP 150-600mm F/5-6.3 Di VC USD G2 in der Praxis

Vor gut drei Jahren sorgte Tamron mit dem SP 5-6,3/150-600 mm für einigen Wirbel in der Naturfotografenszene. Vergleichsweise leicht, handlich, mit überzeugender Abbildungsleistung und zum erschwinglichen Preis eröffneten sich mit dem Objektiv für manchen Tierfotografen neue Möglichkeiten. Seit letztem Herbst ist die zweite Generation des Supertelezooms verfügbar. Hans-Peter Schaub hat das Objektiv unter herausfordernden Bedingungen im westafrikanischen Regenwald ausprobiert.

Die Luft fühlt sich fast flüssig an. Bei rund 30 Grad bedarf es keinerlei Bewegung, um im schwülen Innern des Taï-Nationalparks an der Elfenbeinküste, einem der letzten größeren Reste westafrikanischen Tieflandregenwaldes, Schweiß in Strömen zu vergießen. Eigentlich ist hier jetzt, Mitte Februar, Trockenzeit, gleichwohl vergeht kaum ein Tag ohne einen heftigen Wolkenbruch und nach vorübergehender Abkühlung sorgt die kräftige Sonneneinstrahlung sehr rasch erneut für Dampfbad-Atmosphäre. Vorrangiges Ziel meiner Reise in dieses entlegene Schutzgebiet ist das Fotografieren der hier lebenden Schimpansen. Um das zu tun, folge ich in Begleitung einheimischer Führer der habituierten, das heißt an die Anwesenheit von Menschen gewöhnten Gruppe bei ihren Streifzügen durch den dichten Wald. Ihre Essenspausen machen die Menschenaffen häufig auf hohen Bäumen, nur selten am Boden und ihr Tagesablauf insgesamt ist nicht ohne weiteres vorhersehbar. Die auf diesen Touren mitgeführte Ausrüstung muss daher einerseits möglichst kompakt und andererseits flexibel sein. Zudem sollte sie natürlich dem Tropenklima standhalten, also mit Regen ebenso wie mit der insgesamt hohen Luftfeuchtigkeit klarkommen.

Ausrüstung

Neben zwei Kleinbild-DSLRs, einem 2,8/24-70 mm-Standardzoom und einem lichtstarken 2/135 mm-Tele hatte ich auf den Schimpansen-Touren das neue Tamron SP 5-6,3/ 150-600 mm DI VC USD G2 dabei. Eine gegenüber der ersten Version optimierte Abdichtung gegen Staub und Spritzwasser, eine schmutzabweisende Fluorbeschichtung der Frontlinse und ein verbesserter Bildstabilisator sind laut Tamron – neben einer verbesserten optischen Konstruktion – die wesentlichen Neuerungen der zweiten Generation des bei vielen Naturfotografen beliebten Telezooms. Zudem wurden zusammen mit dem Objektiv zwei passende Konverter vorgestellt: Der 1,4fach-Konverter TC-X14 sowie der 2fach-Konverter TC-X20. Beide standen mir zur Verfügung, allerdings hatte ich lediglich den TC-X14 im Taï-Nationalpark dabei, denn nur der lässt sich uneingeschränkt mit Autofokus nutzen. Mit dem TC-X20 habe ich anschließend noch fotografieren können. Doch über das Arbeiten mit den Konvertern werde ich weiter unten noch berichten.

In der Hand

Gegenüber dem Vorgängermodell macht die neue Version insgesamt einen wertigeren Eindruck. Das Design ist geradliniger, der Tubus ebenso wie die Streulichtblende mit einer abriebfesten Gumm­ierung versehen. Deutlich solider und weniger hakelig beim Verstellen ist die Stativschelle. Deren Fuß verfügt über zwei eingefräste Längsrillen. So kann man das Objektiv ohne weiteres Zubehör direkt in einer Arca-Swiss-kompatiblen Schnellkupplung montieren. Der Fuß ist zudem so lang ausgeführt, dass er als solider Handgriff fungieren kann. Tatsächlich habe ich das Objektiv meist so mit angesetzter Kamera durch den Wald getragen. Nur dadurch war es möglich, sofort zu reagieren, wenn die Schimpansen oder anderen Tiere für einen Augenblick in einer günstigen Position verharrten.
Gut gelöst ist auch die flexible Zoomlock-Funktion. Dazu schiebt man in jeder beliebigen Brennweitenstellung den Zoomring mit einem vernehmbaren Klick nach vorne und schon ist die Brennweite zuverlässig fixiert. Das habe ich beim flexiblen Fotografieren im Wald ohne Stativ zwar nicht benötigt, setzt man das Objektiv jedoch vom Stativ ein, beispielsweise um weit oben im Geäst turnende Affen zu fotografieren oder auch bei Panoramaaufnahmen mit Telebrennweiten, ist diese Möglichkeit die Brennweite zuverlässig zu fixieren, schon hilfreich.

Wetterfest

Ein Segen ist die Fluorbeschichtung der Frontlinse. Eigentlich benutze ich unter widrigen Bedingungen gerne Schutzglas- oder UV-Filter, um die Frontlinse vor gravierenden Schäden zu bewahren. Mit einem Filterdurchmesser von 95 mm bietet sich das durchaus auch für das neue Tamron-Zoom an – allerdings nicht im Regenwald. Da kondensierte nämlich regelmäßig Feuchtigkeit zwischen Filter und Frontlinse, weshalb ich den Filter dann schnell im Rucksack verschwinden ließ. Die Frontlinse habe ich, wenn sie mal wieder beschlagen war, mit einem Mikrofaser-Tuch abgewischt. Nach dem einen oder anderen Sturz verirrte sich auch mal gröberer Schmutz wie Schlammspritzer auf die Frontlinse. Die wurden mit Wasser abgespült und danach kam wieder das Mikrofaser-Tuch zum Einsatz. Das alles überstand das Objektiv ohne erkennbare Kratzer.
Die häufigen Regenfälle und die hohe Luftfeuchtigkeit insgesamt boten ideale Bedingungen, um die Dichtigkeit des Zooms zu überprüfen. Ganz ohne von innen beschlagene Linsen hat kein einziges der mitgeführten Objektive die Reise überstanden. Das Tamron-Zoom zeigte allerdings nur einmal einen sehr moderaten „Wassereinbruch“ in Form eines leichten Beschlags, der sich durch ein etwa einstündiges Sonnenbad auf einer Waldlichtung komplett und nachhaltig beseitigen ließ. Andere Objektive waren da leider etwas weniger robust.

Bildstabilisator

Das Objektiv verfügt über einen neu entwickelten Bildstabilisator, der sich mit insgesamt drei Modi an unterschiedliche Situationen anpassen lässt. Modus 1 bietet sowohl ein stabilisiertes Sucherbild als auch eine Stabilisierung der Aufnahme und arbeitet damit so wie der Stabilisator des Vorgängermodells. In der Praxis funktioniert das gut und liefert zuverlässig unverwackelte Bilder mit einer um drei bis maximal vier Stufen verlängerten Belichtungszeit gegenüber einem nicht stabilisierten Objektiv. Modus 2 bietet sich für Mitzieher bei längeren Verschlusszeiten an. Hier wird nur in horizontaler Richtung stabilisiert. Bei meinen Aufnahmen im Wald habe ich allerdings nahezu durchgängig Modus 3 eingestellt. In diesem wird lediglich zum Zeitpunkt der Aufnahme stabilisiert, weshalb das Sucherbild entsprechend „verwackelt“ erscheint. Allerdings bietet dieser Modus auch die beste Stabilisierungsleistung und die war in vielen Situationen im finsteren Waldesinnern oft gerade noch gut genug. Tamron gibt einen Gewinn von bis zu 4,5 Zeitstufen an. Unter optimalen Bedingungen sollten so – nimmt man den Kehrwert der Brennweite in Sekunden als unterste Grenze für ohne Stabilisator unverwackelte Bilder – mit etwa 1/25 sec noch scharfe Bilder gelingen. Ich habe das unter den schwierigen Bedingungen immerhin noch recht zuverlässig mit bis 1/40 sec bei 600 mm Brennweite geschafft, was in etwa vier Zeitstufen entspricht

Autofokus & Konverter

Bei den Schimpansen habe ich mich allein mit dem Zoom zufrieden gegeben. Angesichts der schlechten Lichtverhältnisse im Waldesinnern bedurfte es der maximalen Lichtstärke des Objektivs. Auf Touren an den Waldrändern aber war der Konverter durchaus willkommen, zumal viele Tiere – wohl nicht zuletzt aufgrund des spürbaren Jagddrucks durch Wilderer – sehr scheu sind. Der AF des Objektivs reagiert sehr flott und arbeitet dabei präzise und ohne störendes Pumpen. Sowohl der Bildstabilisator als auch der AF sind dabei so leise, dass sie auch bei Videoaufnahmen nicht für eine störende Geräuschkulisse sorgen. In Verbindung mit dem 1,4fach-Konverter büßt der AF nur wenig von seiner hohen Geschwindigkeit ein. Allerdings gilt zu beachten, dass der AF der Kamera dafür ausgelegt sein muss, bis zu einer Blende von f/8 zuverlässig zu arbeiten. Zwar beträgt die Blendenöffnung des Zooms bei maximaler Brennweite f/9, das spielte aber zumindest bei den verwendeten Kameras (Canon EOS 5D Mk III und 5D Mk IV) keine spürbare Rolle. Mit dem 2fach-Konverter funktioniert der „normale“ Phasendetektions-AF nicht mehr. Man muss daher entweder manuell fokussieren oder über LiveView. In Verbindung mit der Canon EOS 5D Mk IV ist das dennoch durchaus eine interessante Option. Dank des Dual-Pixel-AF funktioniert auch im LiveView-Modus der Nachführ-AF zuverlässig, so dass Videoaufnahmen sich bewegender Motive und auch Fotos mit dieser extremen Brennweite recht gut gelingen. Ein sehr stabiles Stativ ist dafür allerdings unabdingbare Voraussetzung.

Bildqualität

Bereits das Vorgängermodell lieferte insgesamt eine sehr ordentliche Bildqualität. Das neue Modell wurde bezüglich der Abbildungsleistung weiter optimiert. In der Praxis fällt der Unterschied allerdings kaum auf. Bei Aufnahmen von speziellen Testbildern lässt sich jedoch eine leicht gesteigerte Auflösung erkennen. Die Verzeichnung ist bei allen Brennweiten sehr gering. Noch gering, aber bei kritischen Motiven erkennbar ist die chromatische Aberration, die sich in Form dünner roter Farbsäumen, vor allem zu den Bildrändern hin zeigt. Die Vignettierung ist bei offener Blende erkennbar, lässt sich durch Abblenden um zwei Stufen komplett eliminieren. Die Schärfe ist schon bei offener Blende hervorragend – auch bei 600 mm. Erfreulich ist auch die sehr geringe Neigung zu Reflexen und Schleiern bei Gegenlichtaufnahmen.
Interessant ist hier natürlich auch, wie sich die Konverter auf die Bildqualität auswirken. Überraschenderweise sorgen beide Konverter für ein nahezu komplettes Verschwinden der chromatischen Aberration. Die Abbildungsleistung wird nur sehr geringfügig beeinträchtigt. Bei Verwendung des 2fach-Konverters – hier verfügt man im Extremfall über ein 13/1.200 mm-Tele – ist bei maximaler Brennweite schon ein Abfall der Schärfeleistung zu verzeichnen, der bleibt gleichwohl recht moderat und letztendlich sind bei solch einer Brennweite neben der tatsächlichen optischen Leistung des Objektivs Faktoren wie Verwacklung oder Luftschlieren oft von höherer Bedeutung für die Gesamtschärfe und Brillanz eines Bildes. Insbesondere für Video- und Fotoaufnahmen sehr scheuer Tiere  vom soliden Stativ mit einem zuverlässigen LiveView-AF kann die Verwendung des Zweifach-Konverters durchaus sinnvoll sein. Wer überwiegend mobil und flexibel ohne Stativ unterwegs sein möchte, sollte sich hingegen mit dem 1,4fach-Konverter begnügen. Ein 9/840 mm-Tele ist ja durchaus schon sehr beachtlich.

Fazit

Ein gelungenes Update! Die insgesamt robustere Konstruktion, der effektivere Bildstabilisator, der schnellere AF und die Möglichkeit der Brennweitenverlängerung durch spezielle Konverter machen das neue Tamron-Supertelezoom zu einem vielseitigen Werkzeug für die Naturfotografie in unterschiedlichsten Einsatzgebieten – auch, aber nicht nur, wenn es darum geht, lange Brennweiten ohne Stativ möglichst flexibel einzusetzen.

Hans-Peter Schaub
www.hanspeterschaub.de

Drehen oder ziehen
Beim Zoomen verlängert sich der Tubus deutlich, weshalb sich auch die Gewichtsverteilung der Kamera-Objektiv-Kombination merklich verändert. Ich persönlich empfand das nicht als besonders störend. Praktisch ist, dass man den Tubus auch direkt herausziehen kann und sich das eigentliche Dreh- so auch als oft schnelleres Schiebezoom verwenden lässt.

Verbesserte Stativschelle
Deutlich verbessert gegenüber dem Vorgängermodell wurde die Stativschelle. Die lässt sich nun ohne zu haken drehen. Zudem ist sie robuster und etwas länger ausgefallen, wodurch sie gleichzeitig zum bequemen Tragegriff wird. Praktisches Detail: Der Fuß ist mit einer Arca-Swiss-kompatiblen Schwalbenschwanz-Fräsung versehen. So kann man das Objektiv ohne zusätzliche Schnellkupplungsplatte direkt auf entsprechend ausgestattete Staivköpfe montieren.

Griffige Bedienelemente
Die Bedienelemente des Zooms sind gut erreichbar und auch mit Handschuhen problemlos zu nutzen. Der Bildstabilisator (VC Mode) ist in drei Versionen verfügbar. Modus 1 sorgt für eine permanente Stabilisierung des Bildes, Modus 2 bietet sich für Mitzieher bei langen Belichtunsgzeiten an. Dann wird nur in vertikaler Richtung stabilisiert. Modus 3 ist bezüglich der Stabilisierung am effektivsten, sorgt allerdings nur zum Zeitpunkt der Aufnahme für eine Stabilisierung, weshalb das Sucherbild "wackelig" erscheinen kann. 

Brennweite verlängern
Mit dem TC-X14 (1,4fach) und dem TC-X20 (2fach) hat Tamron zwei optimal auf das neue 150-600 mm-Zoom abgestimmte Konverter im Angebot (die leider nicht mit der Vorgängerversion kompatibel sind).  Sie sind, wie das Zoom selbst, mit Dichtungen gegen Staub und Spritzwasser  versehen. Der TC-X14 kostet rund 500 €, der TC-X20 ist für etwa 700 € zu haben.

Tamron SP 150-600mm
F/5-6.3 Di VC USD G2
Aufbau: 21 Elemente/13 Gruppen
Blendenbereich: 5/6,3 - 32/40  
Anzahl Blendenlamellen: 9
Bildwinkel (diag./KB): 16° 25’ – 4° 8’
Naheinstellgrenze: ca. 220 cm
Min. Abstand (ab Frontlinse):
ca. 190 cm
Max. Abbildungsmaßstab: ca. 1:3,9
Filtergewinde: 95 mm
Fokussierung: Ultraschall-AF/MF
Weitere Merkmale: flexibler Zoomlock, Bildstabilisator, Fluor-beschichtete Frontlinse, kompatibel mit Tamron-TAP-In-Console, Innenfokussierung, Stativschelle (abnehmbar, mit Arca Swiss-kompatiblem Fuß – keine zusätzliche Schnellwechselplatte erforderlich), Streulichtblende im Lieferumfang, gegen Staub und Spritzwasser abgedichtet.
Anschlüsse: Canon EF, Nikon F
Abmessungen (mm):
ca. 108,4 (D) x 260,2 (L)
Gewicht: rund 2.010 Gramm
Straßenpreis: ca. 1.350 €

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