MEER LAND – wo Europa beginnt


Ausstellung von Andi Jung in Erfurt

Ab 24. Mai rücken im Erfurter Kultur: Haus Dacheröden die Küsten des Kontinents in den Fokus. Gemeinsam mit dem Evangelischen Kunstdienst zeigen beide Galerien großformatige analoge Schwarzweißaufnahmen des Erfurter Fotografen Andi Jung. 

Die Bilder sind auch als ein Statement für die Zukunft der europäischen Idee zu verstehen. Die Küstenmotive, durchaus gegensätzlich und aus weit entfernten Gegenden, leiten über einen QR-Code an den kartografischen Ort ihrer Entstehung. Immer liegt er am Meer. 
Andi Jung treibt die Suche nach Orten, die, eingefangen an einem bestimmten Zeitpunkt und eingebettet in ein konkretes Licht, ihre ganz eigene Stimmung auf den Betrachter übertragen. »Es geht mir nicht um das Abbild einer Landschaft. Mein Bild soll beim Betrachter Assoziationen auslösen, ihn einladen zu verweilen, innezuhalten«, erklärt Jung. Er will Vergänglichkeit und Ewigkeit im Jetzt festhalten, und so die Ausdehnung des Augenblicks sichtbar werden lassen. 
Vor drei Jahren begann Andi Jung, Europas Küsten für sich als Thema zu entdecken. Er reiste nach Schottland, auf die Färöer, nach Island und Norwegen, er besuchte die französische Atlantikküste und die südlichste Spitze Spaniens. Später erkundete er das Baltikum entlang der Ostseeküsten Litauens, Lettlands und Estlands. Sein Weg führte ihn durch menschenleere Landschaften, verlassene Dörfer und stille Dünen. Mystisch sei es gewesen, magisch und trotz des Meeres doch nie eintönig, denkt er zurück. 

Fotografieren in Schwarz und Weiß – für den Erfurter war es eine bewusste, eine grundsätzliche Entscheidung. Klare Strukturen können in den Vordergrund treten, die Dinge finden ihre natürliche Ordnung. Die Konzentration auf das Wesentliche erfindet ihre eigene Perfektion in feinsten Nuancen von Grau. Ganz ohne Farben, allein gelenkt von der Spannung zwischen Hell und Dunkel, bleibt ein Kondensat des Wesentlichen; nichts lenkt ab oder überfordert den Betrachter, alles verlangt nach Ordnung und Klarheit. Verborgene Details, Texturen und Formen kommen zu ihrem Recht. 
In digitalen Zeiten beschwört der Fotograf eine scheinbar vergangene Zeit hervor. Sein Handwerk, rein analog, fasst das Licht und fixiert es auf Papier. Die großformatigen Negative werden traditionell auf Silbergelatine abgezogen. Techniken wie Lithprints und verschiedene Tonungen sorgen für ausbalancierte wie verschränkte Stimmungen. Perfektion entsteht in Kontemplation. 
Die bis zu 20 mal 25 Zentimeter großen Negative zwingen zu konzentriertem Arbeiten, zur bewussten Auseinandersetzung mit dem Motiv. Die Arbeit sorgt für Entschleunigung. Analoge Großformate verlangen Zeit. Der Fotograf muss wissen, was er tut. Draußen in der Natur, wie später in der Dunkelkammer. Geht alles gut, steht am Ende vieler Stunden ein Resultat, das den Aufwand lohnend macht – und das Andi Jung begeistert. 
Ihn faszinieren unberührte Landschaften; raue Felsformationen wie leere, verlassene, fast morbide Gegenden, über die ein Hauch von Geschichte weht. Landstriche, die vielleicht schon seit Jahrhunderten ihren Platz behaupten, die, im besten Fall, auch noch in hunderten von Jahren Menschen auf der Suche nach magischen Orten verzaubern. 
Und Europa? »Ich fühle mich als Europäer. Die Küsten des Kontinents rücken auf vielfältige Weise immer mehr in den Fokus der Zeit«, bekennt Andi Jung. Das gibt seinen Fotografien eine zusätzliche Dimension. Das Fehlen menschlicher Spuren weist, einem lauten Schweigen gleich, auf die Essenz humaner Existenz hin. Auf das Wesentliche beim Zusammenleben auf dem Kontinent. Schon an den Küsten, wo Europa beginnt. 

Infos zur Ausstellung unter www.dacheroeden.de, Zum Fotografen geht´s hier entlang

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