Tele-Zwerg


Tokina SZX 400 mm F8 Reflex MF

Die spezifische Bauweise der Spiegel-Teleobjektive, bei der der Lichtstrahl mittels Spiegeln praktisch im Objektiv »gefaltet« wird, ermöglicht besonders kompakte, jedoch nicht sehr lichtstarke Konstruktionen, die sich zudem durch ein charakteristisches Bokeh und eine geringe Naheinstellgrenze auszeichnen. Licht zuletzt mangels Autofokus eignen sich die Objektive allerdings nicht als Ersatz für ein konventionelles Teleobjektiv. Kreative Foto­grafen hingegen könnten an solch einer Linse durchaus Gefallen finden. Hans-Peter Schaub hat das 400 mm-Spiegeltele von Tokina ausprobiert. 

In den 70er- und 80er- Jahren des vergangenen Jahrhunderts, als langbrennweitige Teleobjektive rar und, wenn verfügbar, sehr teuer waren, erlebten die zuvor schon bei Astronomen beliebten Spiegelteleobjektive eine kurze Blüte. Vergleichsweise leicht und erschwinglich, schienen sie auch so manchem Tierfotografen als brauchbare Lösung für die Fotografie scheuer Tiere. Allerdings sorgten die charakteristischen Lichtkringel, in die sich Reflexe und Spitzlichter in den unscharfen Bildbereichen verwandeln, häufig für Ernüchterung. Das sieht manchmal ganz schön aus – aber eben nicht immer. Zunehmend preiswertere »richtige« Teleobjektive und Telezooms mit immer besserem Autofokus ließen die mit Ausnahme des Sony 500 mm f/8 Reflex rein manuell zu fokussierenden Spiegeloptiken in einer kleinen Nische verschwinden. Dabei haben diese Optiken neben dem geringen Gewicht und den kompakten Abmessungen meist noch einen weiteren Vorteil zu verbuchen: Sie bieten eine sehr geringe Naheinstellgrenze und eignen sich damit auch für Aufnahmen kleiner Details wie Blüten oder größerer Insekten. Mit dem SZX 400 mm F8 Reflex MF hat Tokina seit einiger Zeit so ein Spiegeltele im Programm, das sich dank Anschluss über den universellen T2-Adapter an praktisch jeder mit Wechsel-bajonett ausgestatteten Kamera verwenden lässt.

In der Hand

Da neben einigen Glaslinsen vor allem deutlich leichtere Spiegel dafür verantwortlich sind, dass die Lichtstrahlen in geeigneter Weise durch den Objektivtubus gelenkt werden, ist das Tokina-Tele nicht nur lediglich knapp 9 cm kurz, sondern mit gut 400 Gramm auch leicht. Gleichwohl erscheint es dank dem robusten Metalltubus sehr solide. Der griffige, sanft und gleichmäßig laufende Fokussierring lässt sich um etwa 290 Grad drehen – reichlich Spielraum für präzises manuelles Scharfstellen. Die Entfernungsskala sowie die Angaben zu den Abbildungsmaßstäben sind auf den Tubus gedruckt und haben im Rahmen des über mehrere Wochen laufenden Tests schon deutlich gelitten. Eingeprägte Skalierungen sind natürlich haltbarer, andererseits kostet das Objektiv eben nur rund 265 €. Dafür ist aber auch eine solide Metallgegenlichtblende im Lieferumfang enthalten, für die andere Hersteller oft als Zubehör stolze Preise fordern. Das Objektiv funktioniert rein manuell. Kommunikation mit der Kamera findet nicht statt. Da die Blende bauartbedingt aber ohnehin fest eingestellt ist, kann man das gut verkraften. 

Aufnahmepraxis

Eine maximale Blende von f/8 ist angesichts der Brennweite von 400 mm zwar nicht überragend, erscheint aber auch nicht wirklich finster. Tatsächlich allerdings ist f/8 an einem Spiegeltele bezüglich der Sucherhelligkeit und der effektiven Lichtausbeute eher mit f/14 bei einem konventionellen Objektiv vergleichbar und damit rund 1,7 Blendenstufen weniger lichtstark als es die Blendenzahl vermuten ließe. Das sorgt insbesondere bei Spiegelreflexkameras für ein recht düsteres Sucherbild. Bei Kameras mit elektronischem Sucher hingegen, beziehungsweise beim Einstellen über den LiveView-Modus der DSLRs, ist das weniger kritisch. Es empfiehlt sich allerdings, die Belichtungssimulation abzuschalten, um so ein möglichst helles Bild zu erhalten. Üblicherweise funktionieren die Fokussierhilfen wie Fokus Peaking oder die Sucherlupe bei den Spiegellosen zuverlässig und so ist manuelles Fokussieren mit diesen Kameras unter nahezu allen Lichtbedingungen problemlos möglich. Ich habe das Objektiv sowohl an einer Canon EOS 5D Mk IV als auch an einer spiegellosen EOS R5 verwendet. Bei letzterer kommt man in den Genuss des ins Gehäuse integrierten Bildstabilisators, der das Fotografieren ohne Stativ natürlich erheblich einfacher macht. 

Dank der geringen Naheinstellgrenze erlaubt das Tokina-Tele Aufnahmen mit einem Abbildungsmaßstab von maximal 1:2,5. Der Abstand zwischen Motiv und Frontlinse beträgt dabei rund 84 cm – ausreichend viel, um weit jenseits der Fluchtdistanz vieler scheuer Kleintiere zu bleiben. Zusammen mit dem sehr charakteristischen Bokeh ergeben sich da interessante Optionen für ungewöhnliche Makrobilder. Bei Bedarf kann man das Objektiv natürlich auch noch mit Zwischenringen kombinieren, um die kleinen Motive aus dann immer noch unkritischer Distanz etwas größer ins Bild zu setzen.

Abbildungsleistung

Typische Bildfehler wie Vignettierung oder chromatische Aberration spielen bei diesem Teleobjektiv keine Rolle. Bei Gegenlicht ist die Neigung zu unerwünschten Reflexen oder Schleiern äußerst gering. In puncto Schärfe und Brillanz allerdings bricht das Spiegeltele keine Rekorde. Die Bilder wirken nicht wirklich unscharf, aber etwas weich und kontrastarm. Es fehlt an knackiger Schärfe wie sie mittlerweile auch preiswerte Zooms schon bei offener Blende zumindest in der Bildmitte liefern. Dafür sorgt die spezielle Konstruktion aber eben auch für ein ganz besonderes Bokeh – und zwar nicht nur in Form der typischen »Donuts«, den charakteristischen Lichtkringeln. Auch bei eher diffusem Licht ergibt sich ein lebendiges, aber dennoch nicht unruhiges Bokeh, das so kein anderes Objektiv liefert. 

Fazit

Wer ein langes Tele für die Tier- oder auch Landschaftsfotografie sucht, wird mit diesem doch sehr speziellen Objektiv vermutlich nicht glücklich. Zu speziell das Bokeh, zu gering die effektive Lichtstärke und auch Brillanz und Schärfe liegen nicht auf Spitzenniveau. Gleichwohl ermöglicht dieses preiswerte und leichte Objektiv in vielen Situationen doch ganz besondere Bildwirkungen. Knackige Schärfe allein ist schließlich noch keine Garantie für überzeugende Bilder. Kreative Fotografen auf der Suche nach ungewöhnlichen Looks sollten das handliche Tokina-Spiegeltele daher durchaus in Betracht ziehen.    

Hans-Peter Schaub
www.hanspeterschaub.de

Tokina SZX 400 mm F8 Reflex MF
Aufbau: 6 Elemente / 5 Gruppen Bildwinkel: 6° 8’ (Kleinbild) Blendenbereich: 8 (feste Blende) Naheinstellgrenze: ca. 115 cm Min. Abstand (ab Frontlinse): ca. 84 cm Max. Abbildungsmaßstab: ca. 1:2,5 Filtergewinde: 67 mm 
Fokussierung: MF 
Weitere Merkmale: Metallgegenlichtblende  im Lieferumfang Anschluss: über T2-Adapter an praktisch allen Systemen  von FourThirds bis Kleinbildformat verwendbar 
Abmessungen (mm): ca. 88 (mit EF-T2-Adapter)  
Gewicht: 408 Gramm (mit Canon EF-T2-Adapter) 
Straßenpreis: ca. 265 € (inkl. Bajonett-Adapter)

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