Vermutlich nicht ganz ohne Neid verfolgte so mancher Nikon-Fotograf in den letzten ein bis zwei Jahren die Entwicklung spiegelloser Kameratechnik bei Sony und Canon. Während sowohl Nikons Z6 als auch die Z7 insgesamt mit solider Leistung, guter Ergonomie und leistungsfähigen Sensoren überzeugen, dürften angesichts rasanter Serienbildraten und hoch effektivem AF mit Augenerkennung bei Menschen und Tieren einer Sony Alpha 1 oder Canon EOS R5 dennoch einige aus dem Nikon-Lager mit einem Systemwechsel geliebäugelt haben. Mit der Z9 aber ist Nikon wieder im Rennen und zumindest auf Basis der technischen Daten zählt Nikons neues Spitzenmodell unstrittig zu den derzeit leistungsfähigsten Kameras. Ich hatte die Gelegenheit, sie rund drei Wochen lang zusammen mit einer Reihe aktueller Z-Objektive, darunter dem neuen Nikkor Z 400 mm f/2,8 mit integrierten 1,4fach-Konverter auszuprobieren. Dabei habe ich mich allerdings nahezu ausschließlich auf die Fotofunktionen konzentriert. Eine ausführliche Betrachtung der umfangreichen Videofunktionen hätte den Rahmen eines solchen Beitrags gesprengt.
In der Hand
Äußerlich ist nicht erkennbar, dass es sich bei der Z9 um eine spiegellose Kamera handelt. Die Abmessungen entsprechen nahezu dem Spiegelreflex-Profimodell D6 und auch beim Gewicht trennen die beiden Kameras lediglich 120 Gramm. Entsprechend viel Platz bietet das mit integriertem Hochformatgriff ausgestattete Gehäuse für Räder, Knöpfe und Tasten, die eine sehr direkte Bedienung der Kamera ermöglichen und – ist einmal alles konfiguriert – nur selten »Ausflüge« ins Menü erfordern. Wer schon mit der D4, D5 oder D6 fotografiert hat, wird auch mit der Z9 schnell zurechtkommen. Die Positionen der Bedienelemente sind weitgehend identisch. Im Vergleich zur D6 fällt lediglich die Verschiebung der Playback-Taste von links oben an der Gehäusehinterseite nach rechts unten ins Auge und selbst das lässt sich durch eine Umwidmung der Lock-Taste (Fn4) wieder rückgängig machen. Ein Modus-Wahlrad hat die Kamera, wie ihre Spiegelreflex-Vorgängerinnen, nicht zu bieten. Die Rolle übernimmt die Mode-Taste auf dem Einstellrad links neben dem Sucherhöcker. Dort befinden sich auch die Tasten für die Einstellung der Serienbildrate, der Blitzfunktionen sowie der Bracketing-Optionen. Der Multifunktionswähler, mit dem u.a. die Position des AF-Feldes gesteuert wird, das hintere Einstellrad, die AF-On- sowie die i-Taste für den Aufruf des Quick-Menüs sind für die Verwendung im Hochformat doppelt vorhanden. Die drei Fn-Tasten auf der Vorderseite, die ich z. B. mit unterschiedlichen AF-Optionen wie 3D-Tracking oder Weitbereichs-AF (L) und Punkt-AF belegt habe, erfordern im Hochformat schon eine gewisse Beweglichkeit der Finger. Insgesamt aber liegt die Kamera extrem gut in der Hand und lässt sich dank diverser Funktionstasten gut an persönliche Vorlieben anpassen. Das große, nahezu komplett aus Aluminium gefertigte Gehäuse ermöglicht zudem eine effektive Ableitung der insbesondere bei Videoaufnahmen entstehenden Hitze. So kann man problemlos auch über längere Zeit Aufnahmen in 8K-Auflösung machen ohne – wie etwa bei der Canon EOS R5 – ein Abschalten der Kamera aufgrund von Überhitzung befürchten zu müssen.
Das Menü ist insgesamt recht komplex, aber übersichtlich strukturiert. Bei einzelnen Menüseiten muss man mitunter ziemlich weit nach unten scrollen, um die gewünschten Einstelloptionen zu finden. Deutlich flotter ist es daher, die wichtigsten Funktionen in »My Menue« zu registrieren. Zusammen mit einer klugen Belegung der Fn-Tasten lässt sich die Kamera nach kurzer Einarbeitung sehr schnell bedienen. Insbesondere beim Fotografieren vom Stativ ist das Top-Display angenehm, das auf einen Blick die wichtigsten Einstellungen anzeigt. Wer in der Dämmerung oder gar nachts fotografieren möchte, wird sich darüber freuen, dass die wichtigsten Tasten bei Bedarf beleuchtet sind.
Der große Akku erlaubt laut CIPA-Standard 740 Bilder. Fotografiert man allerdings viel Action mit reichlicher Nutzung der Serienbildfunktion, sind problemlos 4.000 bis 5.000 Aufnahmen mit einer Akku-Ladung möglich. Die Kamera kann bei eingelegtem Akku über eine Powerbank betrieben werden, auch ein Laden des Akkus (nur EN-EL 18d) über USB-C ist möglich.
Bildstabilisator
Mittlerweile Standard ist die Ausstattung der Kameras mit einem gehäuse-internen Bildstabilisator. Der sorgt dafür, dass jedes angeschlossene Objektiv stabilisiert wird. Verfügt ein Objektiv selbst über einen Stabilisator, so gleicht dieser in Kombination mit der Z9 Schwenkbewegungen in zwei Achsen aus, der Kamerastabilisator übernimmt die Kompensation der übrigen Bewegungen. Als erste Kamera des Z-Systems verfügt die Z9 über einen Synchro-VR, der Objektiv- und Kamera-Stabilisator so synchronisiert, dass die Stabilisierung verbessert wird. Bislang sind allerdings nur das 4,5-5,6/100-400 mm-Zoom sowie das 2,8/105 mm Makro sowie nach Firmware-Update das 2,8/70-200 mm-Zoom kompatibel. Insgesamt arbeitet die Stabilisierung sehr zuverlässig und erreicht durchaus die angegebenen 5, bei Synchro-VR sogar 6 Zeitstufen Kompensation. Bei Verwendung langer Brennweiten in der Tierfotografie ist es dann meist eher die Bewegung des Motivs, die limitiert, als die Gefahr von Verwacklungen.
Sucher und Display
Mit 3,69 Mio. Bildpunkten weist der elektronische Sucher eine vergleichsweise geringe Auflösung auf. Zum Vergleich: der Sucher der Canon EOS R5 bietet mehr als 5 Mio., der Sucher der Sony Alpha 1 sogar mehr als 9 Mio. Bildpunkte. In der Praxis aber fällt das allenfalls bei der Wiedergabe der Bilder auf. Das Sucherbild ist groß, hell und zeigt keine erkennbare Verzögerung. Selbst bei schnellen Aufnahmeserien von 20 oder 30 Bildern pro Sekunde ist keine Dunkelpause erkennbar. Auch sich sehr schnell bewegende Motive bleiben immer gut erkennbar und lassen sich entsprechend zuverlässig verfolgen. Manuelles Fokussieren mit Sucherlupe oder Fokus Peaking funktioniert problemlos.
Den Test habe ich noch mit der ersten Firmware-Version durchgeführt. Mittlerweile ist die Firmware-Version 2.0 verfügbar, die unter anderem auch eine Bildwiederholrate von bis zu 120 Hz beim Sucher gestattet. Doch auch so hinterließ der elektronische Sucher einen überzeugenden Eindruck.
Das 3,2-Zoll Touchdisplay löst 2,1 Mio. Bildpunkte auf und ist ausreichend hell, damit es auch bei Sonnenschein noch gut ablesbar bleibt. Ein aufwendiger Mechanismus sorgt dafür, dass sich der Monitor nicht nur nach oben und unten klappen, sondern auch so schwenken lässt, dass er im Hochformat uneingeschränkt verwendet werden kann. Etwas schade ist, dass sich das Display beim Blick durch den Sucher nicht als Touchpad zur schnellen Auswahl der AF-Felder nutzen lässt.
Autofokus und Serienbilder
Der Autofokus der Z9 erreicht in allen Aspekten das Niveau der Sony Alpha 1 sowie der Canon EOS R5 oder R3. Unterschiede zeigen sich allenfalls in Nuancen und in der Praxis dürfte das kaum relevant sein. Für Tierfotografen besonders bedeutsam ist der kontinuierliche AF in Verbindung mit der Motiverkennung. Der Z9-AF erkennt Tiere (Hunde, Katzen, Vögel), Menschen und Fahrzeuge – und zwar automatisch, ohne dass man dafür eine bestimmte Motiv-Art einstellen muss. Sollen ohnehin nur bestimmte Motive wie etwa Tiere fotografiert werden, kann man das allerdings auch entsprechend einstellen und so eventuell die Trefferquote noch etwas erhöhen. Einen signifikanten Unterschied zwischen automatischer Motiverkennung und der spezifischen Einstellung konnte ich allerdings nicht feststellen. Ich habe während dem Test in erster Linie Sing- und Wasservögel fotografiert und diese wurden zumeist problemlos erkannt. Lediglich beim ersten Erfassen eines Motivs in der Einstellung Weitbereichs-AF (L) in Verbindung mit der Motiverkennung kam es zuweilen vor, dass der AF etwas hilflos nach einem Ziel suchte. Insbesondere bei weiter entfernten Motiven oder kleinen Vögeln im Gebüsch habe ich daher das Tier zunächst mit dem Punkt-AF anvisiert und dann auf 3D-Tracking umgeschaltet. Das ermöglichte dann zuverlässig scharfe Bilder. Die Z9 ist Nikons erste Spiegellose, die über das von den Nikon DSLRs bekannte 3D-Tracking verfügt. Anders als bei den DSLRs aber wird bei der Z9 nun das Motiv über das gesamte Sucherbild sehr zuverlässig verfolgt. Motiverkennung und -verfolgung funktionieren im Übrigen auch im Videomodus tadellos. Bei der Wahl der AF-Messfeldmuster bietet die Z9 nicht weniger als 20 Optionen, was es erleichtert, die für die unterschiedlichsten Situationen jeweils angemessene Form und Größe des Messfeldes zu finden.
Bis zu 20 Raw-Bilder pro Sekunde schafft die Z9. Sind noch schnellere Bildraten erforderlich, geht das allerdings nur im JPG-Format. JPGs mit voller Auflösung sind dann mit 30 Bildern pro Sekunde möglich, reichen 11 Megapixel aus, schafft die Kamera sogar 120 Bilder pro Sekunde – wohlgemerkt mit kontinuierlichem AF. Natürlich liefern auch JPGs eine für die meisten Zwecke mehr als ausreichende Qualität, insbesondere bei maximaler Auflösung. In kontrastreichen Situationen allerdings oder auch bei hohen ISO-Einstellungen ist das Raw-Format einfach die bessere Wahl, weshalb ich mich, abgesehen von einigen Testserien, auf die Verwendung des Raw-Formats und damit auf maximal 20 Bilder pro Sekunde beschränkt habe. Die Serienbildraten kann man beliebig flexibel zwischen 1 und 20 Bildern pro Sekunde anpassen. Bei Landschafts- und Makromotiven wird man sich dann eher mit Einzelbildern begnügen, während es bei kämpfenden oder fliegenden Vögeln dann schon 12 bis 20 Bilder pro Sekunde sein dürfen. Der Pufferspeicher der Kamera ist recht groß. Je nach verwendeter Speicherkarte (siehe den Speicherkartenvergleich in Ausgabe 5) konnte ich bei 20 Bildern/sec 33 bis 70 unkomprimierte Raws in Folge aufnehmen. Mittlerweile sind noch schnellere Speicherkarten angekündigt (Delkin und Lexar), die praktisch endlose Serien ermöglichen sollen. Im High Efficiency*-Raw-Format werden die Dateien um rund 30 Prozent geschrumpft und dann sind ohne Weiteres auch mit aktuellen Speicherkarten mehrere hundert Raw-Bilder in Folge möglich.
Als erste spiegellose Profikamera verfügt die Z9 allein über einen elektronischen Verschluss. Der macht diese schnellen Serienbildraten erst möglich, sorgt aber gleichzeitig dafür, dass die Kamera – abgesehen von einem dezenten Rauschen des internen Bildstabilisators – absolut geräuschlos ist. Um überhaupt zu bemerken, dass man fotografiert, kann man ein elektronisch erzeugtes Auslösegeräusch zuschalten.
Bildqualität
Mit gut 45 Megapixeln liefert der Stacked CMOS-Sensor reichlich Daten für detailreiche Bilder und trägt zur enormen Vielseitigkeit der Kamera bei. Landschaft, Makro und dank hoher Serienbildrate und leistungsfähigem AF auch Tierfotografie – es gibt kein naturfotografisches Thema, was sich mit dieser Kamera nicht bearbeiten ließe. Die Daten lassen sich entweder in einem verlustfrei komprimierten oder in zwei unterschiedlich stark, aber verlustbehaftet komprimierten Raw-Formaten (Hohe Effizienz HE/HE*)sowie als JPGs speichern. Insbesondere das HE*-Raw-Format bietet sich bei actionreichen Situationen als platzsparende Alternative zum Standard-Raw-Format an. Der Qualitätsunterschied ist minimal und lässt sich eigentlich nur in Form eines etwas ausgeprägteren Rauschens erkennen, das sichtbar wird, wenn man dunkle Bildpartien in der Nachbearbeitung aufhellen muss. Der elektronische Verschluss lässt zudem insgesamt einen im Vergleich zu Aufnahmen mit einem mechanischen Verschluss etwas geringeren Dynamikumfang erwarten. Das mag so sein, allerdings bezweifle ich, ob das irgend eine praktische Relevanz hat, denn die Aufnahme der Z9 überzeugten auch in sehr kontrastreichen Situationen und boten viel Spielraum, um in Schattenpartien feine Strukturen herauszuarbeiten. Bis ISO 3.200 waren die Bilder nahezu rauschfrei und auch höhere Empfindlichkeiten bis ISO 12.800 brachten noch sehr gute Resultate. Erst bei noch höheren Empfindlichkeiten macht sich in unkorrigierten Bildern zunehmendes Farbrauschen bemerkbar, das sich jedoch gut und ohne gravierende Farbverschiebungen oder Sättigungsverluste korrigieren lässt. Das Helligkeitsrauschen ist auch bei den höchsten Empfindlichkeiten von ISO 51.200 oder sogar 102.400 noch sehr homogen verteilt und so erscheinen selbst solche Aufnahmen, die ja unter extremen Lichtbedingungen entstehen, nach behutsamer Rauschreduktion noch erstaunlich klar.
Traum-Tele
Ein paar Worte noch zum Nikkor Z 400 mm f/2,8 TC VR S. Das Objektiv ist hinsichtlich der Abbildungsleistung überragend und dank integriertem 1,4fach-Konverter, der die Leistung nicht sichtbar beeinträchtigt, ersetzt es durchaus auch ein 4/600 mm und bietet dabei fast die Flexibilität eines Zooms. Trotz Konverter ist es rund ein Kilogramm leichter als das Pendant mit F-Bajonett und lässt sich daher gut auch über längere Zeit ohne Stativ einsetzen. Selbst wenn man zusätzlich noch einen Zweifach-Konverter verwendet, wobei sich eine Brennweite von maximal 1.120 mm bei f/8 ergibt, arbeitet der AF noch schnell und zuverlässig bei immer noch guter Abbildungsleistung. Billig ist das Supertele mit rund 15.000 € sicher nicht, aber wenn man eine lichtstarke, lange Telebrennweite anschaffen möchte, ist dieses Objektiv sicher erste Wahl – leider nur für Nikon-Fotografen.
Fazit
Die Z9 wird den hochgesteckten Erwartungen in vollem Umfang gerecht. Durchdachte Ergonomie, schneller und präziser AF, enorme Vielseitigkeit – auch aufgrund der hohen Auflösung – machen sie zum optimalen Allround-Aufnahmegerät für ambitionierte Naturfotografen. Die kürzlich veröffentlichte, zum Test leider noch nicht verfügbare Firmware 2.0, die unter anderem eine Pre Capture-Funktion (ähnlich wie bei Olympus, aber leider nur JPG) brachte, zeigt, dass das Potenzial der Kamera noch nicht ausgeschöpft ist. Folgt Nikon dem bei den DSLRs verfolgten Weg, dann dürften, wie bei der D850 und D500, in naher Zukunft viele der technischen Neuerungen aus der Z9 auch den Weg in preisgünstigere Modelle finden und so das Z-System insgesamt noch attraktiver machen.
Hans-Peter Schaub
www.hanspeterschaub.de