Gemessen an den technischen Daten ist die Fujifilm X-H2S derzeit die leistungsfähigste Systemkamera mit einem Sensor im APS-C-Format. Ein neuer Stacked-X-Trans-CMOS-Sensor sorgt in Kombination mit einem optimierten Bildprozessor für enorm hohe Geschwindigkeiten bei der Datenverarbeitung. Das ermöglicht hohe Serienbildraten im Foto-Modus ebenso wie schnelle Bildraten und hohen Dynamikumfang bei Videos. Zudem minimiert das flotte Auslesen der vom Sensor erfassten Daten den Rolling-Shutter-Effekt, der sowohl bei Foto- als auch Videoaufnahmen zu unerwünschten Verzerrungen führen kann. Der verbesserte Autofokus soll nicht nur schnell sein, sondern auch – wie bei aktuellen Modellen von Nikon, Canon, Sony und OM-System – zuverlässig Vögel und andere Tiere erkennen. Das alles – zusammen mit dem gleichzeitig vorgestellten neuen 5,6-8/150-600 mm-Telezoom – macht das Fujifilm X-System nun auch für Naturfotografen interessant, die gerne mit langen Brennweiten Tiere fotografieren.
In einem rund vierwöchigen Praxistest wollte ich vor allem herausfinden, wie sich Kamera und Telezoom in der Tierfotografie bewähren, habe dabei aber auch andere Motive wie Landschaften und Makros fotografiert und zahlreiche Videos aufgenommen. Der Schwerpunkt dieses Beitrags liegt allerdings auf den fotografischen Eigenschaften der Kamera.
In der Hand
Trotz des kleineren APS-C-Sensors ist die X-H2S in etwa so groß und schwer wie eine mit Kleinbildsensor ausgestattete Sony A7. Wie viele Modelle der X-Serie ist auch die X-H2S umfassend abgedichtet. Dank einem gegenüber dem Vorgängermodell stärker abgerundeten und deutlicher ausgeformten Handgriff liegt die Kamera gut in der Hand und kann bei Bedarf zudem mit einem Akkuhandgriff (VG-XH, zwei zusätzliche Akkus) aufgerüstet werden.
Wer mit den Topmodellen aus dem X-System wie der X-H1, der X-Pro3 oder der X-T4 und den jeweiligen Vorgängermodellen vertraut ist, wird bei der X-H2S die markanten Einstellräder für ISO/Serienbildfunktion bzw. Verschlusszeiten/Belichtungsmodus vermissen. Stattdessen gleicht die Bedienung der Kamera nun weitgehend der von anderen Herstellern. So findet sich links neben dem Sucher-Höcker ein klassisches Modus-Wahlrad, auf dem sich, neben den üblichen Belichtungsmodi (PSAM), allerdings stolze 7 Custom-Einstellungen (C1 – C7) hinterlegen lassen. Zudem stehen zahlreiche Tasten zur Verfügung, die sich praktisch alle individuell programmieren lassen. Der AF-Modus-Wahlschalter an der Vorderseite wurde durch eine Taste ersetzt, die in Kombination mit einem Einstellrad das Umschalten zwischen AF-C, AF-S und manueller Fokussierung gestattet. Wer von anderen Systemen auf die X-H2S umsteigt, wird sich daher vermutlich schneller an die Kamera gewöhnen als Besitzer einer X-H1, die sich für die Anschaffung des Nachfolgemodells entscheiden.
Der Joystick zur Wahl der AF-Felder ist griffig und gut positioniert, reagiert allerdings für meinen Geschmack etwas zu empfindlich. Praktisch ist das große Schulterdisplay, das über die wesentlichen Kameraeinstellungen informiert und im ausgeschalteten Zustand immerhin noch den Batteriestatus und die verbleibende Kapazität der Speicherkarten anzeigt.
Insgesamt erfordern die vielen Einstellmöglichkeiten der Kamera eine gewisse – individuell sicher sehr unterschiedlich lange – Einarbeitungszeit, ehe man schließlich die Bedienung und die Tastenbelegung optimal seinen Bedürfnissen angepasst hat. Dann aber hat man eine gut zu bedienende Kamera in der Hand. Die Kamera ist mit zwei Kartenfächern ausgestattet (1 x CFExpress B, 1 x SD). Wer regelmäßig hohe Serienbildraten bzw. hohe Videoauflösungen nutzen möchte, wird sicher vor allem die extrem schnellen, allerdings teuren CFExpress-Karten verwenden. Aber auch mit schnellen und deutlich preiswerteren SD-Karten wird man – insbesondere im Fotomodus – nur selten wirklich an Grenzen stoßen.
Der Akku erlaubt laut CIPA-Angabe rund 550 Aufnahmen mit einer Ladung. Tatsächlich sind in den meisten Aufnahmesituationen deutlich mehr möglich. Bei Actionaufnahmen unter Verwendung der schnellen Serienbildfunktion konnte ich problemlos um die 3.000 Bilder machen, bevor die Akku-Warnung zu blinken begann.
Bildstabilisator
Wie viele der aktuellen Systemkameras ist auch die X-H2S mit einem auf Sensorshift basierenden 5-Achsen-Bildstabilisator ausgestattet, der laut Hersteller bis zu 7 Zeitstufen Gewinn an Verwacklungssicherheit bieten soll. Dem Anspruch wird die Kamera in der Praxis durchaus gerecht. In Verbindung mit dem neuen 5,6-8/150-600 mm-Telezoom waren so – selbst in Kombination mit dem 2fach-Konverter – Belichtungszeiten von 1/125 bis 1/60 sec mit nahezu 100 Prozent unverwackelten Aufnahmen möglich. Selbst mit 1/30 sec konnte ich noch scharfe Bilder erzielen. Da ist es dann meist eher die Bewegung des Motivs, die zum limitierenden Faktor wird. Wählt man beim Bildstabilisator die Funktion »Nur Aufnahme«, die bei einigen Kameras und Objektiven die besten Ergebnisse liefert, sind bei der X-H2S immer wieder irritierende Bildsprünge festzustellen. Ich habe daher die Option »Dauerhaft« gewählt, was dann für ein ruhiges Sucherbild sorgte.
Sucher und Display
Das 3,2-Zoll-Touchdisplay löst 1,62 Mio. Bildpunkte auf und ist dreh- und schwenkbar. Die Touch-Funktion reagierte für meinen Geschmack zuweilen etwas träge. Es lässt sich auch zur Steuerung der Kamera nutzen. Den vier Richtungen, in denen man darüber streichen kann, lassen sich jeweils Funktionen zuweisen.
Der elektronische Sucher verfügt über eine Auflösung von 5,76 Mio. Bildpunkten und zeigt ein großes, brillantes Bild. Die maximale Bildwiederholfrequenz liegt zwar bei 120 fps, insbesondere beim Fotografieren von Action-Situationen bietet es sich jedoch an, die 240p-Äquivalent-Einstellung zu wählen, bei der offenbar Zwischenbilder eingefügt werden und so eine sehr flüssige Darstellung entsteht. Auch bei Aufnahmen mit 40 Bildern pro Sekunde lassen sich die Motive so sehr gut und ohne »Blackouts« im Sucher verfolgen.
Serienbilder
Mit bis zu 40 Bildern pro Sekunde bei Verwendung des elektronischen Verschlusses ist die X-H2S die derzeit schnellste APS-C-Systemkamera. Mit dem mechanischen Verschluss sind immer noch sehr flotte 15 Bilder pro Sekunde möglich. Während der elektronische Verschluss bei Bedarf geräuschlos arbeitet, ist der mechanische Verschluss zwar vernehmbar, das Auslösegeräusch bleibt aber sehr dezent.
Hohe Serienbildraten allein machen sich zwar gut in den technischen Daten, praktisch nutzbar werden sie aber erst, wenn die Kamera über einen ausreichend großen Pufferspeicher verfügt und auch die Speicherkarten die Datenflut zügig aufnehmen können. All das ist bei der X-H2S der Fall. Selbst bei 40 Bildern pro Sekunde und der Einstellung auf unkomprimerte Raw-Dateien waren 140 Raws in Folge möglich. Aus Qualitätsgründen spricht jedoch nichts gegen die Einstellung »Verlustfreie Kompression«, bei der die Dateigröße – je nach Motivstruktur – um 30 bis 90 Prozent schrumpft, was dann erheblich mehr Platz im Puffer lässt. Reduziert man die Bildfrequenz von 40 auf 20 Bilder/sec, wird man ebenso wie bei Verwendung des mechanischen Verschlusses (bei 15 Bilder/sec) selbst beim Einsatz einer im Vergleich zur CFExpress- langsameren SD-Speicherkarte praktisch nie an die Grenzen des Pufferspeichers stoßen.
Autofokus
Für Tierfotografen sind natürlich die beiden Motiverkennungs-Optionen »Tiere« und »Vögel« besonders interessant, wobei ich es begrüßen würde, wenn es gelänge, die beiden, wie etwa bei Canons aktuellen R-Modellen, zu einem einzigen Modus »Tiere« zusammenzuführen. Egal, ob auf einer Safari oder in einer Beobachtungshütte – das erforderliche Umschalten, wenn plötzlich Säugetiere auftauchen, während man eigentlich Vögel fotografieren wollte und umgekehrt, kostet wertvolle Zeit. Die Erkennung funktionierte bei Vögeln insgesamt etwas zuverlässiger als bei Säugetieren (meist Hasen und Rehe). Erfreulich war, dass der AF die Motive auch auf große Entfernungen erfasste, wenn sie noch sehr klein im Bild waren. Allerdings kam es bei hohen Bildfrequenzen von 40 oder 30 Bildern/sec oft vor, dass das Motiv dann zwar im Sucher mit einem grünen Rechteck als erfasst markiert wurde, im Bild dann aber dennoch unscharf war. Zudem wechselten sich in entsprechenden Serien immer wieder scharfe mit unscharfen Bildern ab. Bei Raten von 15 oder 20 Bildern pro Sekunde war die Trefferquote insgesamt deutlich höher, weshalb ich mich nach einigen Versuchen dann meist auf diese immer noch sehr schnellen Bildraten beschränkte. Das hatte zudem den Vorteil, dass ich selbst in länger andauernden Situationen nie die Grenzen des Pufferspeichers erreicht habe.
Praktisch für schwer vorhersehbare Situationen ist die Pre-Aufnahme-Funktion. Bei halb durchgedrücktem Auslöser zeichnet die Kamera bereits kontinuierlich Bilder auf, schreibt dann nach vollem Druck auf den Auslöser die im Pufferspeicher befindlichen Aufnahmen auf die Speicherkarte. Man kann die Funktion auf eine Funktionstaste legen und sie dann bei Bedarf schnell aktivieren. Ich beobachtete allerdings bei längerem Arbeiten mit der Funktion, dass die Kamera recht warm wurde und dann in der Folge in immer kürzeren Zeitabständen komplett »einfror«. Ich musste dann jeweils den Akku kurz herausnehmen und konnte anschließend wieder für einige Zeit weiterfotografieren. Man darf hoffen, dass ein künftiges Firmware-Update das Problem beseitigt.
Bildqualität
Der neue Sensor liefert insgesamt eine überzeugende Qualität. Auch wenn der Stacked Sensor bauartbedingt potenziell einen etwas geringeren Dynamikumfang erreicht als ein konventioneller Sensor, macht sich das in der Praxis nicht bemerkbar. Da überwiegen die Vorteile der hohen Auslesegeschwindigkeit eindeutig. Auch Empfindlichkeiten von ISO 3.200 bis 6.400 lassen sich ohne gravierende Abstriche an Detailzeichnung und Farbwiedergabe nutzen. Kritisch wird es ab ISO 12.800, wo sichtbare Detailverluste erkennbar werden. Höhere Empfindlichkeiten sind wirklichen »Notfällen« vorbehalten und liefern Bilddaten mit ausgewaschenen Farben, die nur eingeschränkt verwendbar sind.
Video
Eine ausführliche Betrachtung der Videofunktion der X-H2S würde den Rahmen des Beitrags sprengen. Die Kamera überzeugt allerdings auch in diesem Bereich mit umfangreichen Einstell-Optionen und liefert eine auch hohen Ansprüche genügende Qualität. Interessant ist neben der 6,2 K-Auflösung, die das volle Sensorformat (3:2) nutzt, auch die Option, Daten in Apple ProRes aufzuzeichnen, wodurch zwar recht große Dateien entstehen, die sich dann aber eben auch – vor allem in Apples FinalCut Pro – sehr flüssig weiterverarbeiten lassen. Für Aufnahmen mit besonders hohem Kontrastumfang steht das neue F-Log2 zur Verfügung, mit dem sich 14 Bit Farbtiefe erfassen lässt – im Gegensatz zu 12 Bit in anderen Modi. Allerdings geht das aufgrund des höheren Datenstroms zu Lasten der Auslesegeschwindigkeit und erhöht so die Gefahr von Rolling Shutter-Effekten.
Fazit
Die X-H2S ist zweifellos die derzeit leistungsfähigste Kamera mit einem APS-C-Sensor und eignet sich gleichermaßen für Foto- wie Videoaufnahmen. Ein toller Sucher, hohe Serienbildraten, ein guter Sensor, überzeugende Bildqualität auch bei hohen ISO-Einstellungen sind die großen Pluspunkte. Die AF-Geschwindigkeit kann zwar nicht ganz mit der sehr hohen Bildrate mithalten, dennoch eignet sich die Kamera gut für die Fotografie von sich schnell bewegenden Tieren. Insbesondere dank dem neuen 5,6-8/150-600 mm-Telezoom wird das im Vergleich zu Kleinbild-Systemen deutlich kompaktere Fujifilm X-System auch für Tierfotografen zur attraktiven Alternative.
Hans-Peter Schaub
www.hanspeterschaub.de