Man hat sich daran gewöhnt, dass unterschiedliche Hersteller in der Regel Objektive mit identischen Kenndaten anbieten. Zooms wie ein 2,8/24-70 mm oder ein 2,8/70-200 mm zählen im Kleinbildformat zur Standardpalette aller Marken. Allerdings gibt es eben auch immer mal wieder interessante »Ausreißer«, die zum einen ganz spezifische Zielgruppen ansprechen sollen, zum anderen dem jeweiligen Anbieter eben auch ein Alleinstellungsmerkmal verleihen. Solch ein »Exot« ist das 35-150 mm f/2,8-4 Di VC USD von Tamron. Das Objektiv ist, so wird es zumindest überwiegend beworben, in erster Linie für Porträtfotografen gedacht, die häufig eben genau mit diesem Brennweitenbereich arbeiten und die zudem hohe Lichtstärke und ein weiches Bokeh schätzen, um ihre Motive gut vor ruhigen Hintergründen freistellen zu können. Sicher nicht ganz zufällig ergänzt es hinsichtlich des Brennweitenbereichs das 2,8-4/17-35 mm sowie das 5-5,6/150-600 mm-Zoom aus dem Tamron-Programm perfekt und erlaubt so mit nur drei Objektiven einen Bereich von 17 bis 600 mm lückenlos abzudecken. Neben den Porträtspezialisten dürften insbesondere Landschaftsfotografen, die sehr häufig ein Superweitwinkelzoom einsetzen, ein Auge auf dieses Objektiv werfen, wenn es darum geht, mit möglichst kompakter Ausrüstung ein großes Brennweitenspektrum abzudecken.
In der Hand
Zwar ist der Tubus des 35-150 mm-Zooms aus Kunststoff gefertigt, gleichwohl macht das Objektiv einen durchaus soliden Eindruck. Der Zoomring lässt sich mit angenehmem Widerstand drehen, gleichzeitig konnte ich auch bei senkrecht nach unten gerichteter Kamera kein ungewolltes Herausgleiten des Tubus feststellen. Um das garantiert zu unterbinden, ist das Zoom aber auch mit einer Lock-Taste ausgestattet. Die Drehrichtung vom Weitwinkel- in den Telebereich ist rechts. Mit einer Drehung von rund 80 Grad durchfährt man den gesamten Brennweitenbereich. Auch der Fokussierring läuft sauber und spielfrei (Drehrichtung vom Nahbereich bis Unendlich: rechts). Auch hier lässt sich der Ring um gut 80 Grad drehen, was für präzises manuelles Fokussieren jedoch etwas dürftig ist. Das Objektiv weist eine brennweitenabhängige Blendenöffnung auf. Die höchste Lichtstärke f/2,8 bleibt bis 50 mm erhalten, ab 70 mm beträgt sie maximal f/3,5 und ab 105 mm stellt f/4 die größte Blendenöffnung dar.
Neben der oben erwähnten Lock-Taste finden sich jeweils auf der linken Seite noch ein Schalter für AF/MF sowie für den Bildstabilisator. Beide sind auch mit Handschuhen gut zu bedienen und rasten deutlich ein. Insgesamt sieben Dichtringe sollen das Eindringen von Schmutz und Feuchtigkeit verhindern. Entsprechend unbeeindruckt zeigte sich das Zoom im Test auch bei Verwendung während heftiger Regenschauer. Die mit einer Fluorverbindung beschichtete Frontlinse ist wasser- und ölabweisend und lässt sich so schnell und problemlos von Wasserspritzern und anhaftendem Schmutz befreien.
AF und Bildstabilisator
Der AF funktioniert recht schnell und präzise. Geringfügige Fokus-Anpassungen erfolgen praktisch geräuschlos, muss man hingegen über größere Entfernungen fokussieren, ist ein leises Brummen zu vernehmen, welches bei Videoaufnahmen eventuell stören kann.
Der Bildstabilisator arbeitet leise und zuverlässig. Bei 35 mm Brennweite waren selbst bei 0,5 sec noch gut zwei Drittel der Aufnahmen scharf, bei 150 mm war das bis etwa 1/30 sec der Fall. Das entspricht zwei bis vier Blendenstufen und erweitert in der Praxis die Möglichkeiten für stativloses Arbeiten beträchtlich.
Bildqualität
Das Objektiv ist sehr problemlos bei Gegenlicht einsetzbar. Selbst direkt einstrahlende Sonne erzeugt so gut wie keine Reflexe oder Schleier. Die Verzeichnung ist bei 35 mm leicht tonnenförmig, bei 150 etwas kissenförmig, insgesamt aber unkritisch und ebenso wie die Vignettierung natürlich mittels Objektivprofil in Lightroom problemlos zu korrigieren. Die Vignettierung allerdings ist bei offener Blende durchaus deutlich, was bei einer nachträglichen Korrektur dann zu unerwünschtem Rauschen in den Bildecken führen kann. Das gilt allerdings nur für die Verwendung an Vollformat-DSLRs. Setzt man das Zoom an einer Kamera mit APS-C-Sensor ein, spielt Vignettierung auch bei offener Blende keine Rolle.
Die Schärfeleistung ist in allen Brennweiten bereits bei offener Blende sehr gut. Abblenden um ein bis zwei Stufen sorgt bei Verwendung an Vollformatkameras dann dafür, dass auch die äußersten Ränder knackscharf wiedergegeben werden. Aufgrund des Formatbeschnitts verwundert es nicht, dass die Schärfe beim Einsatz an APS-C-DSLRs bereits bei offener Blende bis in die Ecken reicht. Vernünftigerweise verzichtete Tamron auf die Möglichkeit, die Blende zu weit schließen zu können. Bei f/16 (35 mm) bzw. f/22 (150 mm) ist Schluss. Die dann bei kleinster Blendenöffnung sichtbare Beugungsunschärfe ist selbst bei Verwendung an hochauflösenden APS-C-DSLRs noch sehr moderat. Gleichwohl würde ich, ist höchste Qualität gefragt, auf das Einstellen der kleinsten Öffnung verzichten.Chromatische Aberration tritt lediglich bei 35 mm auf und bleibt da sehr moderat, spielt also in der Praxis wohl kaum eine Rolle. Unscharfe Bildbereich werden insgesamt sehr weich und harmonisch wiedergegeben. Die aus neun Lamellen aufgebaute Blende bleibt bis etwa f/8 annähernd kreisrund, was auch zum sehr schönen Bokeh, insbesondere in Gegenlichtsituationen, beiträgt.
Fazit
Das Tamron-Zoom ist beileibe nicht nur für Porträtfotografen eine interessante Option. Wer mit einer Vollformatkamera Landschaftsfotografie betreibt, findet in diesem Objektiv die perfekte Ergänzung zum Superweitwinkelzoom (wie z.B. 16-35 mm). Eine sehr geringe Naheinstellgrenze und ein maximaler Abbildungsmaßstab von rund 1:3,4 erweitert die Verwendungsmöglichkeiten, insbesondere da die Abbildungsqualität auch im Nahbereich hohen Ansprüchen genügt. Sehr interessant ist das Objektiv auch als Alternative zum beliebten kleinbildäquivalenten 70-200 mm-Brennweitenbereich an der APS-C-DSLR. Aufgrund des Beschnittfaktors von 1,5 (Nikon) bzw. 1,6 (Canon) entspricht das Zoom z.B. an einer Canon EOS-APS-C-Kamera einer 2,8-4/56-240 mm-Optik, bietet also bei nahezu gleich hoher Lichtstärke einen erheblich größeren Brennweitenbereich als ein Kleinbild-2,8/70-200 mm. Dabei wiegt es lediglich gut die Hälfte des Kleinbildzooms und ist dabei auch deutlich preiswerter. Alles in allem ist das Tamron-Zoom also eine echte Bereicherung des Objektivangebots sowohl für Vollformat- als auch für APS-C-Kameras und für beide Systeme eine durchaus bedenkenswerte Alternative zum nach wie vor sehr beliebten 70-200 mm.
Hans-Peter Schaub
www.hanspeterschaub.de