Der chinesische Objektivhersteller Venuslens hat unter seiner Marke Laowa in den letzten Jahren immer wieder ungewöhnliche Optiken vorgestellt – darunter insbesondere auch einige einzigartige Makroobjektive wie das Probe 24 mm f/14 2X Macro (NaturFoto 9/2020) oder das 15 mm f/4 Macro 1:1 Shift (NaturFoto 12/2015). Venuslens hat darüber hinaus vier weitere Makroobjektive im Programm, die allesamt einen maximalen Abbildungsmaßstab von 2:1 liefern und damit die kleinen Motive deutlich größer abbilden können als vergleichbare Makros anderer Hersteller. Allerdings muss man bei allen Laowa-Makros auf den AF verzichten. Das 100 mm f/2,8 2:1 Ultra Macro, um das es in diesem Testbericht geht, ist das einzige uneingeschränkt vollformattaugliche Objektiv aus der Reihe und damit natürlich auch an Kameras mit APS-C-Sensor problemlos zu verwenden.
In der Hand
Metall und Glas sind die Materialien, aus denen das Makroobjektiv gebaut ist und entsprechend vermittelt es einen soliden Eindruck. Mit rund 640 Gramm (das Gewicht variiert geringfügig mit dem jeweiligen Anschluss) ist es in etwa so schwer wie andere Makros in diesem Brennweitenbereich. Der Fokusring läuft spielfrei mit deutlichem, aber für meinen Geschmack nicht zu starkem Widerstand. Manuelles Fokussieren geht damit ausreichend präzise, wenngleich der Verstellweg mit rund 135 Grad für ein Makroobjektiv etwas kurz erscheint. Der Blendenring lässt sich stufenlos verstellen, was Videofilmer freuen, manche Fotografen aber stören dürfte. Zwar sind die Abstände zwischen den Blendenstufen f/2,8 bis f/8 noch recht groß, die kleineren Blendenöffnungen ab f/8 bis f/22 liegen dann aber so dicht beisammen, dass man da im Eifer des Gefechts die Blende auch schon mal weiter schließt als gewünscht. Zwischen f/16 und f/22 liegt nur etwa 1 mm Verstellweg. Erfreulich ist, dass alle Skalen (Blende, Schärfentiefe, Abbildungsmaßstab) eingraviert und die Zahlen so groß sind, dass man sie auch bei wenig Licht noch gut ablesen kann.
Dem Objektiv liegt ein UV-Filter bei, den man auch verwenden sollte, denn sonst besteht die Gefahr, dass Schmutz ins Objektiv-Innere gelangen kann. Das Objektiv verändert zwar seine äußere Länge nicht beim fokussieren, verfügt dennoch nicht über eine Innenfokussierung. Vielmehr wird der Schneckengang von einem äußeren Tubus umschlossen. Die Frontlinse bewegt sich in diesem aber um rund 6 cm hin und her (siehe Abbildung auf Seite 84 unten). Gerät Schmutz in den Tubus, dürfte es mit dem geschmeidigen Fokussieren vorbei sein.
Praxis
Vielleicht geht es Ihnen bei der Makrofotografie mit »normalen« Makroobjektiven manchmal wie mir: Egal ob kleine Fliege, Pflanzendetail oder Tautropfen im Spinnennetz – der maximale Abbildungsmaßstab von 1:1 ist oft einfach zu gering. Dann montiere ich einen Zwischenring oder schraube einen Vorsatzachromaten auf und – zumindest im Fall von Insekten – sind die dann oft bereits entfleucht. Mehr ist da zweifellos besser und mit dem Maßstab von 2:1, den das Laowa-Makro ermöglicht, stößt man wohl nur noch selten an Grenzen. 2:1 bedeutet schließlich, dass sich die Größe des Bildfeldes auf ein Viertel im Vergleich zu 1:1 reduziert. Aus 864 Quadratmillimetern bei 1:1 werden 216 Quadratmillimeter bei 2:1. Der Vergleich auf Seite 82 macht anschaulich, was das in der Praxis bedeutet. Selbst beim Maßstab 2:1 liegen noch knapp 7 cm zwischen Motiv und Frontlinse. Das bedeutet zwar, dass die mitgelieferte Streulichtblende meistens in der Fototasche bleibt, gleichzeitig aber auch, dass man bei behutsamem Vorgehen so durchaus auch Insekten und Spinnen fotografieren kann. Auch für die Lichtführung ist bei Verwendung eines Blitzlichtes noch ausreichend Platz.
Bildqualität
Ausprobiert habe ich das Objektiv an einer Canon EOS R5 (45 MP) und einer EOS 5D Mk IV (30 MP). Die Abbildungsleistung des Laowa-Makroobjektivs ist durchweg gut. Bei offener Blende ist die Schärfe in der Bildmitte schon sehr gut und nimmt durch Abblenden bis f/5,6 nur leicht zu. Ab f/5,6 sind aber dann auch die äußersten Ecken des Bildes scharf. Bei offener Blende ist die Vignettierung deutlich. Bei f/8 ist sie weitgehend, bei f/11 völlig verschwunden. Chromatische Aberration konnte ich überhaupt nicht erkennen. Die Verzeichnung ist minimal kissenförmig, dürfte aber in der Praxis keine Rolle spielen. Interessant fand ich die selbst bei f/22 nur gering ausgeprägte Beugungsunschärfe. Zwar liegt das Schärfemaximum zwischen f/5,6 und f/8, dennoch sind selbst mit f/22 aufgenommene Bilder praktisch uneingeschränkt zu verwenden. Sie sind nur minimal »weicher«, was sich durch eine leichte Unscharfmaskierung in der Nachbearbeitung aber einfach kompensieren lässt. Gut gefallen hat mir auch das Bokeh. Die im Test verwendete Version für Canon EOS EF (ohne Automatikblende) verfügt über eine aus 13 Lamellen aufgebaute Blende und entsprechend bleibt die Blendenöffnung auch beim Schließen praktisch kreisrund. So entstehen selbst bei f/8 oder f/11 Aufnahmen mit praktisch rund abgebildeten Lichtreflexen (Bilder des Maiglöckchens auf dieser Seite). Darüber hinaus ergeben sich in der Unschärfe harmonisch weiche Verläufe und eine sehr klare Trennung zwischen scharf abgebildetem Motiv und unscharfem Vorder- bzw. Hintergrund.
Fazit
Das Laowa 100 mm f/2,8 Ultra Macro 2:1 APO ist ein solide gefertigtes, gut verarbeitetes Makroobjektiv, das sich dank dem maximalen Abbildungsmaßstab von 2:1 deutlich von vergleichbaren Objektiven unterscheidet. Die Abbildungsleistung ist untadelig. Wer in der Makrofotografie auf Autofokus verzichten kann und gleichzeitig gerne ganz Kleines groß abbilden möchte, sollte dieses Makro in Erwägung ziehen.
Hans-Peter Schaub
www.hanspeterschaub.de